Inhaltsbereich
Kastelle
Die beigen Ziegel stammen von einem Kastell in Gellep und wurden in der Burg Linn verbaut.
Bild: Stadt Krefeld, Presse und Kommunikation
Wenn man die Latumer Straße in Krefeld-Gellep heute zum Hafenbecken entlang schlendert, von diesem römischen Leben vor fast 2000 Jahren, dem Kastell und den beiden Siedlungen sieht man nichts mehr. Nur die Straßennamen „Castellweg", „Am Castell" und „Legionsstraße" erinnern daran. Von den römischen Kastellen, die zwischen dem Jahr 71 und dem fünften Jahrhundert nach Christus dort errichtet wurden, finden sich heute an der Oberfläche keine Spuren mehr. Zumindest im 16. Jahrhunderts müssen noch Reste sichtbar gewesen sein. In seinem Buch „Rhenus" (um 1570) schrieb Bernardus Mollerus „Sieh, in traurigen Ruinen birgt sich das arme Gelduba". Wie an anderen Orten am Niederrhein so wurde auch die Festungsanlage in Gelduba im Mittelalter und der Frühen Neuzeit als Steinbruch für neue Gebäude genutzt. Am sogenannten „steinarmen Niederrhein" entstanden daraus unter anderem der Dom in Xanten, aber auch in der Burg Linn sind römische Ziegel eingebaut worden.
Erste Erwähnung von Gelduba bei Tacitus
Bis auf wenige Ausnahmen, wie das heute rechtsrheinische Haus Bürgel, existieren oberirdische kaum noch sichtbare Spuren der Römer. Die Welterbestätten sind in der Regel Bodendenkmäler. Doch im Boden befindet sich noch allerhand römische Geschichte und Spuren, die von einem vielfältigen Leben der Römer am Rhein zeugen. So auch in Krefeld.
Die Geschichte des Kastells Gelduba beginnt im Jahr 69 nach Christus: Damals existiert an dieser Stelle noch keine militärische Anlage, sondern eine zivile Siedlung an der Limesstraße namens Gelduba. Der Ort liegt als Außenposten der Stadt Köln an der Grenze zum Xantener Gebiet. Der römische Historiker Tacitus (58 - 120) erwähnt Gelduba mehrfach in seinen „Historien" (Viertes Buch): Denn bei Gelduba fand eine außergewöhnlich heftige Schlacht zwischen germanischen Batavern und einem römischen Heer mit rund 12.000 Legionären und Hilfstruppen statt.
Hier geht es zur Bataverschlacht.
Das erste Kastell wird 70/71 gebaut
Der zivile Ort Gelduba wird bei dieser Bataverschlacht zwar völlig zerstört. Der Name bleibt jedoch erhalten. Auf einer Anhöhe am Rhein beginnen im Jahr 70/71 die Bauarbeiten am ersten Kastell Gelduba - an selber Stelle entstehen über die Jahrhunderte diverse römische Kastelle unterschiedlicher Größe. Das erste Kastell für 500 berittene Soldaten ist eine Holz-Erde-Konstruktion, die von mehreren Gräben und Wällen gesichert ist. Zu Beginn des zweiten Jahrhunderts fangen die Römer mit dem systematischen Ausbau des Kastells in Stein an, wobei die Gebäude innerhalb des Lagers weiterhin Fachwerkhäuser sind.
Das Kastell Gelduba im 2. Jahrhundert
Angrenzend an das Kastell entwickelte sich eine zivile Siedlung mit Handwerkern, Kaufleuten und den Familien der Soldaten. Im zweiten Jahrhundert leben dort geschätzt 700 bis 800 Soldaten und Zivilisten. Diese Zahl lässt sich aus den entdeckten Gräbern um das Kastell schließen. Es ist das größte erforschte antike Gräberfeld nördlich der Alpen.
Ansicht auf das Kastell im 2. Jahrhundert mit dem nördlichen und südlichen Vicus.
Bild: Stadt Krefeld, Archäologisches Museum
Die erste Kastellbesatzung kam aus Spanien
Das Kastell Gelduba bildete ab 70/71 zunächst das Standquartier für eine römische Reitereinheit (ala) mit einer Sollstärke von 500 Mann. Ziegelstempel aus dem Lagerbad deuten auf die ala Sulpicia, eine wohl von Lucius Livius Ocella Servius Sulpicius Galba, einem späteren römischen Kaiser, kurz zuvor in Südspanien aufgestellte Truppe. Anfangs bestand die Befestigung aus einem Rasen-Soden-Wall mit Holzpalisade und vorgelagertem Graben. Zu Beginn des 2. Jahrhunderts wurde der Erdwall durch eine Steinmauer ersetzt. Den Tuffstein brachen Bausoldaten aus dem Krefelder Lager im Brohltal (heute Rheinland-Pfalz) und schifften ihn Rhein abwärts. Man setzte die neue Kastellmauer nicht einfach an die Stelle des alten Schutzwalls, sondern nutzte die Gelegenheit gleich zu einer Erweiterung des Lagerareals und zog rundum eine neue Befestigungslinie. Die im Fundament ein Meter starke Wehrmauer erhielt wohl zunächst einen freitragenden hölzernen Wehrgang. Wenig später jedoch verstärkte man die Mauer durch eine im Fuße ungefähr drei Meter breite Wallhinterschüttung, die den Wehrgang tragen konnte. In die Befestigung wurden auch Tore eingebaut. Bei einer kleinen Grabung wurde zuletzt ein Teil des südöstlichen Lagertors aus dem zweiten Jahrhundert entdeckt: Ein gut ein Meter breites und drei Meter langes Mauerstück.
Weil von dem ersten Kastell aus Stein in Krefeld nur wenige Mauerfunde dokumentiert sind, bekommt dieser eher kleine Fund eine größere Bedeutung. Seit 1810 ist bekannt, dass sich im Keller des angrenzenden Bauernhofes ein gut erhaltenes Stück eines Lagertors befindet. Die Mauern des Steinkastells besaßen zwei äußere Wände aus Ziegeln, der Zwischenraum wurde mit Bruchsteinen und Verbundmittel wie Lehm aufgefüllt. Und diese Füllung wurde bei der Grabung entdeckt. Dabei handelt es sich um die bislang unbekannten Reste des mittleren Torbogens.
Mauerreste eines Lagertores aus dem 2. Jahrhundert.
Bild: Stadt Krefeld, Presse und Kommunikation
Das Lagertor im Modell des Kastells des 2. Jahrhunderts.
Bild: Stadt Krefeld, Presse und Kommunikation
Zerstörung des Kastells durch die Franken
Die Überfälle germanischer Stämme in das römische Reich nehmen im dritten Jahrhundert immer mehr zu. Römische Geschichtsschreiber geben diesen Germanen den Namen Franci, die Franken. Auch das römische Kastell und sein Lagerdorf in Krefeld-Gellep sollten diese Barbaren aus Germanien heimsuchen - mit fatalen Folgen. Bereits 259 überfielen sie die Siedlung, 275 sogar das Kastell, das bei dem Angriff zerstört wird. Das neue Kastell bauten die Römer etwas kleiner auf dem Areal des Vorgängerlagers auf.
Das Kastell Gelduba in der 2. Hälfte des 4. Jahrhunderts
Am Ende des 3. Jahrhunderts wurde das Kastell in eine spätrömische Festung umgewandelt. Allerdings brannte die neue Festung in der Mitte des 4. Jahrhunderts nieder. Anschließend errichteten die Römer eine kleinere, dafür aber noch stärkere Festung. Die mehrgeschossigen Kasernen für die Besatzung lagen jetzt entlang der Außenmauer, so dass der Gesamteindruck an eine mittelalterliche Burg erinnert.
Das Kastell der Spätantike rekonstruiert nach neuesten Forschungsergebnissen.
Bild: Archäologischer Park Xanten
Römer blieben bis ins 5. Jahrhundert am Rhein
An dem Militärstandort halten die Römer bis zum Ende des Römischen Reiches am Rhein im fünften Jahrhundert fest. Nach dem endgültigen Zusammenbruch des Niedergermanischen Limes (um 460) diente das Kastell weiterhin den Franken als Quartier.Die wissenschaftliche Erforschung des Areals begann Ende des 19. Jahrhunderts und wird bis heute fortgeführt. Die Grab- und Kastellfunde sind im Archäologischen Museum Krefeld ausgestellt. Als Welterbe-Stätte soll das Kastellareal künftig für Besucher erschlossen werden.
Video zum Kastell im 5. Jahrhundert:
Eingebettetes Youtube-Video