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Die Crefelder Bande und ihre Verbrechen am Niederrhein
Veröffentlicht am: 16.01.2025
Der Verbrecher und Bandenanführer Mathias Weber, genannt der Fetzer, wurde in Köln hingerichtet. Repro: Stadt Krefeld, Presse und Kommunikation
Klein, mager und von schwachem Körperbau, kleine schwarze Augen, in denen das Feuer funkelt - und er lächelt gern. „Man glaubte in ihm den unendlichen listigen verschlagenen Spitzbuben sehen zu können", so beschreibt Johann Nikolaus Becker (1773-1809) einen der meist gesuchten Räuberhauptmänner. Der Jurist und Schriftsteller arbeitet als Friedensrichter im Rhein-Mosel-Departement. Er veröffentlicht 1804 das Buch „Actenmäßige Geschichte der Räuberbanden an den beyden Ufern des Rheins", in dem sich diese Charakteristik wiederfindet und Mathias Weber, genannt „der Fetzer", gilt. Als Räuberhauptmann führte er die Crefelder Bande bei Überfällen an. Mit nur 25 Jahren wurde er für seine Verbrechen durch die Guillotine in Köln enthauptet.
Brutale Verbrecher am Rhein
Räuberbanden verunsichern seit der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts das Rheinland von den Niederlanden bis in den Raum von Mainz. Diese Banden darf man sich nicht als romantische Freiheitskämpfer gegen eine Obrigkeit vorstellen - es sind schlichtweg Kriminelle. Die Crefelder Bande gehört zur Großen Niederländer Bande, wie auch die Neusser und Neuwieder Bande. Das sowohl parallel als auch miteinander verwobene Bandensystem bildet keine starre Einheit. Vielmehr wechseln Räuber für Raubzüge und Überfälle zu unterschiedlichen Gruppen, die unter dem Kommando eines Hauptmannes wie Mathias Weber stehen. Die Ortsnamen erhalten sie nach ihren Schlupfwinkeln und Hauptaufenthaltsplätzen. Dass sich die Crefelder Bande in dem Bezirk, vor allem wohl im undurchdringlichen Bockumer Busch, überhaupt einnisten konnte, schreibt Becker einem dortigen Landrichter und seiner „sträflichen Launigkeit" zu. Mit dessen Ablösung ändert sich das Blatt für die Verbrecher. Die Bande löst sich quasi auf, weil es an dem Ort „zu heiß" wird, und so wechselt der Titel Crefelder, erst in die Neusser und später in die Neuwieder Bande - in der Regel mit denselben Akteuren.
Mit 16 Jahren schon Soldat
Über 60 Mitglieder im direkten und nahen Umfeld umfasst über die Jahre die Crefelder Bande. Die Räuber rekrutieren sich meist aus dem „Fahrenden Volk," Händler und Dienstleister wie Scherenschleifer, die von Stadt zu Stadt ziehen und dabei auch der Landbevölkerung Waren und mehr anbieten. Dabei können sie ganz unauffällig auch lohende Ziele ausbaldowern. Zu ihnen kommen außerdem immer mehr ehemalige Soldaten dazu, wie der Fetzer. Mit gerade mal 16 Jahren kämpft er schon in den Niederlanden. In einem Vorposten bei Arnheim schlägt einer seiner Kameraden vor, einen Postwagen auszurauben. Mathias Weber ist sofort dabei. Der Überfall vor den Toren der Stadt gelingt dem Trio. Die Räuber erbeuten einen Koffer, der mehr Reichtum enthält, als sich ihre Fantasie hätte ausmalen können. „900 Dukaten wurde jedem der drei Marodeurs zu Theil", so Becker.
Nach dem Dienst kehrt der Fetzer in die Gegend von Crefeld zurück. In Straelen trifft er dann auf Mitglieder der Crefelder Bande. Die planen gerade, die Kirche in Arcen (heute Niederlande) auszurauben. Der Fetzer bietet sich als Führer durch die Sümpfe an, hält Wort, und sie dringen in die Sakristei ein. Doch die Schätze sind gut verschlossen, und so ziehen sie mit geringer Beute davon. „Von dieser Epoche an, verließ der Fetzer seine Kameraden nicht mehr und beging mit ihnen einen Raub nach dem anderen", berichtet Becker. Duisburg, Odenkirchen, Venlo, Kettwig, Straelen, Düsseldorf, im Bergischen: Die Crefelder Bande sorgt im weiten Umfeld für Angst und Schrecken. Und die Liste verlängert sich stetig. So rauben sie auf der Straße bei Grimmlinghausen bei Neuss Waren, die den Von der Leyens in Krefeld gehören. Bei einem versuchten Diebstahl in das Zollhaus in Uerdingen gehen Fetzer und ein Kamerad jedoch leer aus, sie finden kein Geld. Ein beliebtes Ziel bleiben auch Kirchen, egal welcher Konfession.
Der Branntwein-Trick
Schon in der „ersten Generation" der Crefelder Bande erweist sich der Branntwein-Trick als erfolgreiches Mittel, um sich den Zugang zu Häusern zu verschaffen. „Sie bestand darin, dass man bey Nachtszeit an die Türen pochte, und einen Schluck Branntwein begehrte, sobald diese aber aufgethan wurde, eindrang und plünderte", so Becker. Während in der Stadt eventuell noch Nachtwachen Streife gehen, auf dem flachen Land sind die Menschen der Bande ausgeliefert. Unweit von Krefeld überfallen sie einen Wirt, wieder mit dem Branntwein-Trick. Sie knebeln die Familie und rauben Geld, Silberwerk und Leinwand.
Immer wieder werden Mitglieder geschnappt und eingesperrt. Den Inhaftierten gelingt es sehr oft, aus ihren Gefängnissen zu entkommen. Becker spricht von hunderten bekannter Fälle. Dieses „Glück" hat mehrfach auch der Fetzer, wie in Neuss, wo er mit Kameraden in einer Windmühle festsitzt. Über die Decke ihrer Zelle beginnen sie ihre Flucht, die sie zur Spitze des Gebäudes führt. „Aber wie sollte man von der der schwindelnden Höhe die schauderhafte Tiefe erreichen", berichtet er in seinem Verhör. Seine Aussage wird übrigens durch ein angefertigtes Protokoll in Neuss bestätigt. „Mir kam der Gedanke, mich an den Tüchern, die auf den Windflügeln ausgespannt waren, zu bedienen, und so mich so mit meinen Gefährten herabzulassen. Gedacht und ausgeführt", berichtet der Fetzer.
Die Zeit der Crefelder Bande endet um 1797, die Räuber verlagern ihren Stützpunkt nach Neuss und später nach Neuwied. Obgleich die meisten Akteure wie der Fetzer aktiv bleiben. Schließlich erwischen sie ihn 1803 in Bergen bei Frankfurt am Main. Von dort wird er nach Köln überstellt. Alle Fluchtversuche bleiben diesmal ohne Erfolg. Als sein Prozess am 17. Februar 1803 eröffnet wird, strömt das Volk zum Gericht, um den berüchtigten Räuber zu sehen. „Offenherzig und unverhohlen erzählte er das Hauptsächliche von seinen Räubereien." Angesichts des sicheren Ausganges des Prozesses nennt er alle Beteiligten, auch die noch frei sind. „Ich bin zufrieden", sagt er bei der Urteilsverkündung. Seine letzten Tage verbringt er ruhig. Dass sein Leben abgedruckt werden sollte, erfreut ihn - einige Seiten werden ihm vom Beichtvater noch vorgelesen, wobei er öfter zustimmend nickt. Kurz vor seiner Hinrichtung gibt der Fetzer noch zu Protokoll: „Mein Ruhm erschwoll immer mehr und mehr; allein dieses zog auch meinen Untergang nach sich." An bis zu 190 Diebstählen und Rauben beteiligt er sich als Krimineller bis zur Hinrichtung. In dieser Zeit ermordet er auch seine Frau, was er bis zuletzt verneint hat.
Hinrichtung unter der Guillotine in Köln
Auf einem Karren wird er zum Richtplatz auf dem Altermarkt gebracht - frohen Gemüts und nicht verzweifelt. Mit einem Satz spring er aufs Schafott. Der Fetzer ist der Letzte, der unter der Guillotine in Köln hingerichtet wurde. Während der französischen Besatzungszeit werden von 1801 bis 1808 alle größeren Banden am operierenden Niederrhein zerschlagen und ihre Mitglieder verurteilt. Becker beziffert die Zahl der Räuber entlang des Rheins auf rund 200, von denen beim Erscheinen des Buches noch 124 in Freiheit leben, die anderen wurden hingerichtet, verhaftet oder auf Galeeren verbannt.