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Eine Stadt im Kriegszustand: Andrej Rajkowytsch besucht Krefeld
Veröffentlicht am: 07.11.2024
Andrij Rajkowytsch (2. v. li.), Bürgermeister der ukrainischen Stadt Kropyvnytskyi, besuchte Krefeld zum ersten Mal. Foto: Stadt Krefeld, Presse und Kommunikation, A. Bischof
Bei seinem ersten Besuch in Krefeld hatte Andrij Rajkowytsch, Bürgermeister der ukrainischen Stadt Kropyvnytskyi und Leiter der regionalen Militärverwaltung Kirowohrad, zahlreiche Botschaften im Gepäck: den aufrichtigen Dank an seine Partner in Krefeld und Venlo, unmittelbare Eindrücke aus einer Stadt im Kriegszustand und den eindringlichen Appell, die Ukraine auch in Zukunft in ihrem Freiheitskampf zu unterstützen. Ebenso viel wie die bewegenden Worte sagte das Geschenk, das er seinem Krefelder Amtskollegen Frank Meyer mitgebracht hatte: eine Glasvitrine mit Patronenhülsen, in denen Getreidehalme aus der Ukraine stecken - ein Symbol der Hoffnung, dass nach dem Krieg in der landwirtschaftlich geprägten Region wieder ein normales Leben möglich wird.
Für zwei Tage am Niederrhein
Nur für zwei Tage war Andrij Rajkowytsch an den Niederrhein gereist, um mit Frank Meyer und dem Venloer Bürgermeister Antoin Scholten persönlich ins Gespräch zu kommen. Danach ging es für ihn weiter nach Tschechien, um Generatoren für die Energieversorgung seiner Stadt im Winter in Empfang zu nehmen. „Dank der Unterstützung unserer westlichen Partner können wir arbeiten, leben und in die Zukunft blicken", sagte Rajkowitsch bei seinem Besuch im Krefelder Rathaus. „Seit zehn Jahren herrscht Krieg, seit zehn Jahren hält Russland uns davon ab, näher an Europa heranzurücken und nach europäischen Werten zu leben. Unsere besten Söhne und Töchter stehen an der Front und kämpfen für die Freiheit ihres Landes. Wir möchten diesen verfluchten Krieg endlich beenden, um in Frieden und Demokratie als unabhängiges Land leben zu können."
Nach Angaben des Bürgermeisters haben seit der russischen Invasion am 24. Februar 2022 mehr als 180 Raketen und 400 Drohnen seine Stadt getroffen und hauptsächlich strategische Infrastruktur zerstört. „Kropyvnytskyi befindet sich zwar nicht direkt an der Frontlinie, aber wir tragen dazu bei, die militärischen Kräfte zu versorgen und zu unterstützen." Dazu gehört es auch, die Wirtschaft möglichst normal aufrecht zu erhalten, um den Krieg zu finanzieren. Die Stadt in der Zentralukraine nimmt zudem massiv Flüchtlinge aus anderen Landesteilen auf: „Wir mussten allein 7000 Schulkinder neu in unseren Schulen unterbringen", erklärte der Bürgermeister. „Bei den notwendigen Baumaßnahmen - auch zum Schutz der Schulen gegen Bomben - helfen die Spenden aus Krefeld sehr."
Oberbürgermeister Frank Meyer (li.) betonte beim Besuch Andrij Rajkowytschs die Bedeutung der 2023 geschlossenen trinationalen Partnerschaft zwischen Krefeld, Venlo und Kropyvnytskyi. Foto: Stadt Krefeld, Presse und Kommunikation, A. Bischof
Oberbürgermeister Frank Meyer betonte, die im September 2023 geschlossene trinationale Partnerschaft zwischen Krefeld, Venlo und Kropyvnytskyi sei eine „starke symbolische Brücke" in das vom Krieg getroffene Land: „Es geht uns dabei aber nicht allein um die Unterstützung in Kriegszeiten, sondern auch um die Perspektive über den Krieg hinaus. Ich wünsche der Ukraine, dass sie diese Zeit übersteht und danach gemeinsam mit uns in eine demokratische und friedliche europäische Zukunft gehen kann." Eine „Partnerschaft auf Augenhöhe" zwischen den drei Städten sei sein ausdrücklicher Wunsch, so der Oberbürgermeister.
Auch Andrej Raykowytsch erkennt in der Partnerschaft weitergehende Chancen, etwa im Hinblick auf den Wiederaufbau: „Wenn Kräne sich drehen, heißt das auch: Das Leben geht weiter." Auch im kulturellen Bereich sieht er zahlreiche Anknüpfungspunkte zwischen beiden Städten. Ganz aktuell bat Andrij Rajkowytsch die Vertreter von Venlo und Krefeld darum, sein Land weiterhin zu unterstützen: „Der höchste Preis wird immer für Frieden und Freiheit bezahlt, und diesen Preis bezahlt im Moment das ukrainische Volk", erklärte der Bürgermeister und Leiter der regionalen Militärverwaltung. „Wir müssen stark sein und uns mit anderen zusammenschließen, um diesen Krieg zu gewinnen."
Wunsch nach einer partnerschaftflichen Verbindung
Bereits kurz nach dem russischen Angriff auf die Ukraine im Februar 2022 war in der Krefelder Verwaltung, Politik und Stadtgesellschaft der Wunsch entstanden, mit einer ukrainischen Stadt eine partnerschaftliche Verbindung einzugehen. Daher war die Verwaltung in Abstimmung mit der damaligen Generalkonsulin Iryna Shum an die Organisation Engagement Global herangetreten. Sie unterstützt Kommunen bei der Vermittlung deutsch-ukrainischer Partnerschaften. Engagement Global hat der Stadt Krefeld die Stadt Kropyvnytskyi vorgeschlagen, da beide Städte etwa die gleiche Einwohnerzahl aufweisen und es viele potenzielle Anknüpfungspunkte zur Zusammenarbeit in den Bereichen Kultur, Bildung, Sport und Wirtschaft gibt. Kropyvnytskyi liegt in der Zentral-Ukraine, rund 330 Kilometer südlich von Kiew. Mit 229.000 Einwohnern ist die Stadt fast exakt genauso groß wie Krefeld.
Hochrangige Vertreter der drei Städte hatten am 11. September 2023 im Krefelder Rathaus einen Partnerschafts- und Kooperationsvertrag unterzeichnet. Frank Meyer betonte damals, dass Krefeld aus der Kooperation perspektivisch eine Städtepartnerschaft entwickeln möchte. Die langjährige niederländische Partnerstadt Venlo hat sich zu dem ungewöhnlichen Schritt entschlossen, als dritter Partner ebenfalls offizielle Kontakte nach Kropyvnytskyi zu knüpfen. Krefeld und Venlo feiern in diesem Jahr den 60. Geburtstag ihrer Partnerschaft.