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Franz Stollwerck auf den Spuren der Römer in Gelduba

Veröffentlicht am: 23.07.2024

Franz Stollwerck. Bild: Stadt Krefeld, Presse und Kommunikation
Franz Stollwerck. Bei der Freilegung einer römischen Mauerecke, 1948. Bild: Stadt Krefeld, Presse und Kommunikation

Ein Mann schreitet mit Zylinder und in Samtrock über den Marktplatz. „Herr Professor" nennen ihn seine Schüler, aber auch mancher Uerdinger. Der akademische Titel ist Franz Stollwerck (17. Februar 1814 bis 9. März 1884) nie verliehen worden. Die Bezeichnung spiegelt wohl eher seine vielfältigen wissenschaftlichen Interessen und Anerkennung in der Bevölkerung wider. Mit Mitte 30 kommt der Lehrer in die kleine Rheinstadt. Dort gründet er 1848 an der Niederstraße 3 eine „Knabenschule" mit Gymnasialklassen. Stollwerck liebt seinen Beruf. Er unterrichtet nicht nur die klassischen Fächer. Der Universalgelehrte zieht mit seinen Schülern auch in die Umgebung, um Natur und Geschichte zu entdecken und Wissen vor Ort zu vermitteln. Die hiesigen Exkursionen führen sie auch auf die Spuren der Römer.

„Bei meiner Übersiedlung von Aachen nach Uerdingen wurde ich bald mit dem nahe gelegenen Dorfe Gellep bekannt, dessen römische Alterthümer und besonders anziehend bei Tacitus und Plinius erwähnter Name Gelduba mein lebhaftes Interesse erweckten", schreibt Stollwerck. Er gehört zu jenen Privatleuten in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, die sich immer mehr für die heimische Geschichte interessieren. Sie lesen antike Texte, die sich auf ihre Umgebung beziehen und erforschen dann auf eigene Faust ihre Gegend. Dr. Anton Rein, der Rektor der damaligen höheren Stadtschule (heute Gymnasium am Moltkeplatz) und Franz Stollwerck verfassen erste wissenschaftliche Beiträge über das römische Erbe in Krefeld. „Es wurde gesammelt, die Sammlung grösser, das Interesse reger, bis es zuletzt in dem Gedanken wurzelte: auch diesem kleinen Flecken Erde einige Früchte für die Muse der Geschichte abzugewinnen", hält Stollwerck fest. Dass das Areal in Krefeld-Gellep heute als Unesco-Welterbe anerkannt ist, es hätte ihn sicherlich gefreut. Stollwerck veröffentlicht bereits 1848 einen ersten von mehreren Aufsätzen über Gellep und die römische Fundstelle in Moers-Asberg in der Crefelder Zeitung. Für seine Publikationen nutzt er unter anderem Beiträge von Anton Rein über Gelduba.

Günstige Publikationen

Wie andere Werke von Stollwerck erscheint das 177 Seiten umfassende Buch „Die römisch-celtubische Niederlassung Gelduba" im Selbstverlag - zum unglaublich niedrigen Preise von zwei Mark. Andere wissenschaftliche Publikationen aus seiner Feder verkauft er zum Teil für nur 20 oder 50 Pfennige. Um die günstige Finanzierung der Schriften zu ermöglichen, sucht er in Uerdingen stets Gönner und Freunde. In „Die römisch-celtubische Niederlassung Gelduba" berichtet und dokumentiert Stollwerck nicht nur über seine Grabungen, eigene Funde und Ankäufe aus Gellep von 1850 bis 1876, er ergänzt diese mit geographischen und historischen Betrachtungen. Er führt zudem Haus- und Grundstückseigentümer auf, die aus privatem Interesse in Gellep graben, Sammler und Käufer von dortigen Funden, zu ihnen zählte auch der Düsseldorfer Carl Guntrum, sowie Objekte aus privaten Sammlungen. Besonders Glasgefäße und Münzen seien bei den Sammlern beliebt, Keramik dagegen gegen kaum.

Impression von Gellep aus dem Jahr 1971. Bild: Stadt Krefeld, Presse und Kommunikation
Impression von Gellep aus dem Jahr 1971. Bild: Stadt Krefeld, Presse und Kommunikation

Nach den Schilderungen Stollwercks haben mindestens neun Familien und Grundstücksbesitzer in dem abgelegenen Dorf Gellep über Jahrzehnte eigenständig nach römischen Hinterlassenschaften gegraben, auch der Ökonom P. Schönwasser. „Was er dort an Münzen, Anticaglien (Anmerkung des Autors: „kleine Alterthümer") und anderen werthvollen Gegenständen gefunden, hat er sorgfältig bewahrt, aber weder mir noch einem Anderen bestimmte Mittheilungen gemacht, da er als Selbstsammler und Liebhaber, wie er zu sagen pflegte, nichts veräussern wollte", berichtet Stollwerck. Nach Schönwassers Tod kommt dessen Sammlung im März 1866 jedoch zur Versteigerung - eine „sehr ansehnliche Collection", betont Stollwerck und: „Ich sah eine Sammlung von etwa 200 Silber- und Kupfermünzen von Augustus bis Gratian, darunter viele gut erhaltene Exemplare."

Dass es bei den „Grabungen" nur um die besten und wertvollsten Objekte geht, mag ein Augenzeugenbericht verdeutlichen. Auf die für Archäologen so wichtigen Grabungszusammenhänge achtet damals niemand. Und angesichts der beschriebenen Funde dürfte mancher Archäologe dieser Tage Tränen in den Augen haben. Zwei Bekannte von Stollwerck schildern ihm 1852/1853 über ein Grundstück von P. Schönwasser in Gellep, das jener von den „vielen Steinen reinigen" wollte: „Ich sammelte noch Vieles, worauf der genannte keinen Werth gelegen hätte, nämlich gegen 60 Fragmente von Gefässen von terra sigillata, darunter welche von vorzüglichen Stoffe und mit Ornamenten von Blättern, Blumen und Streifen, Rosetten usw. versehen. [...] Ein ganzer Haufen Tuff-, Basalt- und Sandstein untermischt mit Gefässbruchstücken schlechten Thons, lag am Feldwege neben dem Acker."

Impression aus den Rheinwiesen bei Gellep aus dem Jahr 1937. Bild: Stadt Krefeld, Presse und Kommunikation
Impression aus den Rheinwiesen bei Gellep aus dem Jahr 1937. Bild: Stadt Krefeld, Presse und Kommunikation

Antiquitäten werden in alle Welt verkauft

Fast 30 Jahre schreibt und dokumentiert Stollwerck über alles, was ihm aus dem römischen Gelduba bekannt wurde. Seiner Arbeit und die anderer Begeisterter für die Archäologie im 19. Jahrhundert ist es zu verdanken, dass man sich heute zumindest mal ein grobes, mal ein genaueres Bild von den Funden jener Zeit machen kann. Vieles wurde damals gleich an meist auswärtige Sammler verkauft, einiges später versteigert, manches verblieb wohl auch vor Ort. Stollwerck wünscht sich zu seinen Lebzeiten ein Museum für die Gelleper Funde, was sich aber erst im 20. Jahrhundert mit dem Archäologischen Museum Krefeld erfüllen sollte. Er beklagt 1881 in der Crefelder Zeitung den Verlust von heimischen Kulturgut für die Öffentlichkeit: „Die Antiquitäten wandern in alle Welt, denn wer am meisten dafür gibt, bekommt sie, und so lange ein Sammelpunkt, eine Gesellschaft, Gesellschaft, ein Verein fehlt, der es sich zum Ziele gesetzt hat, ein Museum im Kreise zu bilden, so lange werden jene Zeugen alter römischer und germanischer Kultur einem gleichen Schicksale nicht entgehen und ohne Nutzen für die Gesellschaft allmählich dem Gedächtnisse entschwinden."

Dieses Schicksal sollte aber auch seine archäologische Sammlung ereilen. Sie wurde im November 1884 versteigert. Einige römischen Altertümer und Funde sind für das Krefelder Museum (das erste Krefelder Museum am Westwall (1885) und das Kaiser-Wilhelm-Museum (1897)) angekauft worden. Im Museum sind aber keine Sammelstücke mit der Herkunft „von Stollwerck" versehen. Entweder sind die Sammelstücke ohne Namensnennung aufgegangen oder in anderen Besitz gelangt. Der ehemalige Leiter des Museums Burg Linn, Dr. Albert Steeger, stellt 1947 eine Anzahl Funde aus dem Nachlass Stollwercks in einer Bonner Privatsammlung fest. Ankäufe des Sammlers Carl Guntrum (1803-1891) aus Gellep befinden sich heute im Stadtmuseum Düsseldorf, darunter auch die Statuette einer Meeresgöttin aus Bronze. Ansonsten ist der Verbleib von Stollwerks Funden aus Gellep unbekannt. Gleiches gilt auch für sein Grab. In Uerdingen wurde eine Straße nach ihm benannt.

Impression von Gellep aus dem Jahr 1937. Bild: Stadt Krefeld, Presse und Kommunikation
Impression von Gellep aus dem Jahr 1937. Bild: Stadt Krefeld, Presse und Kommunikation

Römische Siedlung namens Gelduba schon um 20 nach Christus

Bereits vor dem Bau des ersten Kastells in Krefeld-Gellep 70/71 nach Christus hat es schon um 20 nach Christus eine römische Siedlung namens Gelduba gegeben - wohl auch mit Soldaten. Das entspricht dem heutigen Forschungsstand. Stollwerck datiert diese Gründung - allerdings als Kastell - in eine Zeit zwischen 9 und 37 nach Christus: Er ordnet erstens Gelduba in eine Reihe von 50 Kastellen ein, die Drusus um das Jahr 9 am Rhein bauen ließ. Des Weiteren belegt er die Datierung mit der Naturgeschichte von Plinius, weil dort von einer köstlichen Zuckerwurzel aus Gelduba die Rede ist, die Kaiser Tiberius (Regierungszeit 14-37) für sich von dort anliefern ließ, und mit Münzfunden, unter anderem einer mit dem Abbild von Drusus.