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Gerechte und faire Lösung: Campendonk-Gemälde bleibt in Krefeld

Veröffentlicht am: 13.01.2025

Ministerin Ina Brandes und Oberbürgermeister Frank Meyer freuen sich, dass Campendonks "Wirtshaus" in der Sammlung der Krefelder Kunstmuseen bleibt. Foto: Stadt Krefeld, Presse und Kommunikation, Dirk Jochmann
Ministerin Ina Brandes und Oberbürgermeister Frank Meyer freuen sich, dass Campendonks "Wirtshaus" in der Sammlung der Krefelder Kunstmuseen bleibt.
Foto: Stadt Krefeld, Presse und Kommunikation, Dirk Jochmann

Durch eine gütliche Einigung kann die Stadt Krefeld das Gemälde „Wirtshaus" von Heinrich Campendonk (1889-1957) dauerhaft für die Sammlung der Kunstmuseen Krefeld bewahren. Das Werk gehörte ursprünglich zur Sammlung des jüdischen Schuhfabrikanten Alfred Hess. Die Kunstmuseen Krefeld haben gemeinsam mit der rechtmäßigen Erbin von Tekla und Hans Hess eine „gerechte und faire Lösung" gefunden. Der Einigung vorausgegangen sind umfangreiche Provenienzforschungen im Auftrag der Kunstmuseen Krefeld durch ausgewiesene Expertinnen, gefördert durch das Deutsche Zentrum Kulturgutverluste. Campendonks 1917 entstandenes Ölgemälde befindet sich seit 1948 in der Krefelder Sammlung. Es zählt zu den Spitzenwerken des gebürtigen Krefelders und Hauptvertreters des Rheinischen Expressionismus im Bestand der städtischen Kunstmuseen.

„Angesichts der Verbrechen des Nationalsozialismus haben wir bis heute eine Verantwortung, begangenes Unrecht so sensibel wie akribisch aufzuarbeiten und den Opfern dieses Unrechts im Zweifel eine gerechte und faire Lösung anzubieten. Ich bin froh, dass dies im Fall des Campendonk-Gemäldes gelungen ist und dass wir es - auch dank großzügiger Unterstützung externer Geldgeber - dauerhaft für unsere Sammlung und künftige Ausstellungen sichern konnten", sagt Oberbürgermeister Frank Meyer.

Kulturstaatsministerin Claudia Roth: „Das ‚Wirtshaus' zeigt beispielhaft Campendonks Talent, alltäglichen Szenen mit lebendigen Farben und expressiven Formen auf der Leinwand eine tiefe Bedeutsamkeit zu verleihen. Nicht umsonst zählt es zum Kanon einer der bedeutendsten Kunstepochen. Deshalb hat der Bund den Ankauf gern unterstützt. Den Erben danke ich sehr herzlich für ihre Bereitschaft, dieses einzigartige Werk der Öffentlichkeit dauerhaft zugänglich zu machen. Mit seiner Provenienz fügt es insbesondere der Erinnerung an die Verfolgten der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft ein bedeutendes Zeugnis hinzu."

Kulturministerin Ina Brandes: „Unrecht kann nicht ungeschehen gemacht werden, aber neues Unrecht kann verhindert werden. Und genau das geschieht mit der Rückgabe des Gemäldes ‚Wirtshaus' von Heinrich Campendonk. Ich bin sehr dankbar, dass das Werk zurückgekauft werden konnte und weiter in Krefeld zu sehen ist. Mit jeder einzelnen Rückgabe eines Werkes erkennen wir das Unrecht an, das den jüdischen Vorbesitzerinnen und Vorbesitzern angetan wurde. Das Land Nordrhein-Westfalen ist sich dieser Verantwortung sehr bewusst. Deshalb haben wir mit der Koordinationsstelle für Provenienzforschung in Nordrhein-Westfalen eine bundesweit einzigartige Stelle geschaffen, die Museen, Archiven, Bibliotheken sowie dem Kunsthandel und Privatpersonen bei Fragen zur Herkunft geraubter Kunstwerke Expertise und Hilfe anbietet."

Alfred Hess war ein bekannter Kunstsammler und Mäzen, der eine der bedeutendsten Sammlungen expressionistischer Kunst in Deutschland aufgebaut hatte. Nach seinem Tod 1931 wurde er von seinem Sohn Hans beerbt. Als jüdische Familie gehörten seine Frau Tekla und sein Sohn Hans Hess zu den Kollektivverfolgten des Deutschen Reiches. Hans Hess emigrierte wenige Monate nach dem Beginn der nationalsozialistischen Herrschaft aus Deutschland zunächst nach Frankreich und später weiter nach Großbritannien, wohin ihm seine Mutter 1939 folgte. Die Kunstsammlung verbrachte sie 1933 in Teilen auf Freipass - einer temporären Ausfuhrgenehmigung - in die Schweiz, zunächst nach Basel und später nach Zürich, darunter auch das Gemälde von Campendonk. Im März 1937 sandte sie das Gemälde zusammen mit anderen Werken zurück nach Deutschland an den Kölnischen Kunstverein.

Im Sommer 1947 teilte der Kölnische Kunstverein auf Nachfrage mit, dass die ehemals eingelagerten Bilder nicht mehr vorhanden seien. Erst im sogenannten „Kölner Fälscherprozess" 1949/50 wurde bekannt, dass sich Dritte einige der vermeintlich zerstörten Bilder angeeignet und sie unter der Hand verkauft hatten. Das gegenständliche Gemälde wurde im Prozess nicht erwähnt. Spätestens im März 1947 fand es sich im Besitz des Kölner Kunsthändlers Werner Rusche wieder, der es im Februar 1948 dem Kaiser Wilhelm Museum in Krefeld zum Kauf anbot. Informationen zur Provenienz des Gemäldes lagen dem Museum beim Ankauf nicht vor.

In Würdigung der Gesamtumstände hat die Stadt Krefeld mit der rechtmäßigen Erbin eine gerechte und faire Lösung gefunden. Sie beruht auf zwei Grundlagen: den Grundsätzen der Washingtoner Konferenz in Bezug auf Kunstwerke, die von den Nationalsozialisten beschlagnahmt wurden („Washingtoner Prinzipien") und der Erklärung der Bundesregierung, der Länder und der kommunalen Spitzenverbände zur Auffindung und zur Rückgabe NS-verfolgungsbedingt entzogenem Kulturgutes, insbesondere aus jüdischem Besitz vom 9. Dezember 1999 („Gemeinsamen Erklärung"). Das Gemälde wurde an die Erbin zurückgegeben; gleichzeitig konnte sein dauerhafter Verbleib in den Kunstmuseen Krefeld durch einen Rückkauf gesichert werden. Ermöglicht wurde der Erwerb durch großzügige Unterstützung der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien, des Ministeriums für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen sowie der Kulturstiftung der Länder.

Prof. Dr. Markus Hilgert, Generalsekretär der Kulturstiftung der Länder: „Heinrich Campendonks Gemälde ‚Wirtshaus' steht für eine entscheidende Schaffensphase eines der bedeutendsten Vertreter des Rheinischen und deutschen Expressionismus. Seine enge Verbindung zu Krefeld macht den Verbleib in der Sammlung der Kunstmuseen Krefeld besonders stimmig. Es freut mich, dass die Kulturstiftung der Länder erneut erfolgreich die Erwerbung eines herausragenden Gemäldes im Rahmen einer fairen und gerechten Lösung im Sinne der Washingtoner Prinzipien unterstützen konnte."

Heinrich Campendonk, der zeitlebens seiner Heimatstadt und dem Kaiser Wilhelm Museum eng verbunden war, ist in der Sammlung der Kunstmuseen Krefeld mit Werken aus allen Schaffensphasen vertreten, allerdings nur mit drei Gemälden aus der prägenden Zeit vor 1920. Das 1917 entstandene „Wirtshaus" gehört zur wichtigen Übergangsphase, in der sich Campendonk von den Einflüssen der Künstlergruppe Blauer Reiter löst. Sein Pendant, das Gemälde „Die Armen" von 1918, befindet sich ebenfalls in der Sammlung der Kunstmuseen Krefeld. In beiden Gemälden spiegeln sich eindrücklich die sozialen Missstände und die Bedrohung durch den Krieg, aber auch Campendonks eigene Isolation in dieser Zeit, die Auslöser für seine Rückkehr ins Rheinland nach Kriegsende war.

„Es war uns eine Herzensangelegenheit, dieses herausragende Werk für die Sammlung zu erhalten. Wir sind sehr froh und dankbar, dass wir gemeinsam mit der Erbin und mit Unterstützung unserer Förderer eine solche Lösung finden konnten", betont Direktorin Katia Baudin. „Die Erforschung der Herkunft von Sammlungsobjekten und der verantwortungsvolle Umgang mit diesem kulturellen Erbe ist für uns gleichermaßen Verpflichtung und ein Kern der Museumsarbeit. In den letzten Jahren konnten wir bereits verschiedene Konvolute der Sammlung hinsichtlich ihrer Provenienz untersuchen lassen und setzen diese Aufarbeitung systematisch fort."

Gilbert Lupfer, Vorstand des Deutschen Zentrums Kulturgutverluste, sagt: „Zu gerechten und fairen Lösungen beizutragen, die die legitimen Interessen der Nachkommen berücksichtigen und die Erinnerung an verfolgte jüdische Sammlerinnen und Sammler wachhalten, ist eine der wichtigsten Aufgaben des Deutschen Zentrums Kulturgutverluste. Wir freuen uns sehr, dass die von uns unterstützte Provenienzforschung an den Kunstmuseen Krefeld zu genau solch einem Ergebnis geführt hat."

Das Gemälde ist zurzeit im KWM in der Sammlungspräsentation Sammlung in Bewegung ausgestellt. Am Sonntag, den 19. Januar 2025 widmen die Kunstmuseen Krefeld dem Werk und seiner Geschichte eine Veranstaltung: Sammlungsleiterin Dr. Magdalena Holzhey und der Leiter der Kunstvermittlung Thomas Janzen sprechen in einer Dialogführung um 14.30 Uhr über „Wirtshaus", seinen Stellenwert in Campendonks Œuvre und über die Herausforderungen der Provenienzforschung. Von 14.30 bis 16.30 Uhr lädt ein offener Workshop Interessierte aller Altersgruppen, die selbst kreativ tätig werden möchten, zur Erforschung von Farbe, Transparenz und Linie ein.