Inhaltsbereich

Jugendstreetwork unterstützt junge Menschen in Lebensnotlagen

Veröffentlicht am: 28.03.2024

Eingebettetes Youtube-Video

Der Stadtgarten ist an diesem frühen Nachmittag übersichtlich besucht. Am Brunnen unterhält sich eine Gruppe Erwachsener. Hinter dem Pavillon starrt ein junger Mann auf sein Handy. Auf der Bank direkt am Eingang unterhalten sich zwei junge Frauen. Verena Eickmann und Lars Görke scannen die Szenerie. Sie erkennen sofort, wer ein potenzieller Klient oder eine Klientin sein könnte. Die beiden Jugendstreetworker besprechen sich kurz und steuern dann die Parkbank mit den beiden Frauen an. In diesen Momenten wirbeln die immer gleichen Gedanken durch ihre Köpfe. „Man fragt sich, wie die Klienten wohl reagieren werden und wie ein möglichst empathischer Gesprächseinstieg gelingt", sagt Eickmann. Häufig sind die ersten Sekunden entscheidend. Aufgeregt seien sie zwar nicht mehr, beteuern die beiden. Eine Überwindung sei die proaktive Kontaktaufnahme aber trotzdem immer wieder. Diesmal machen es die zwei jungen Frauen auf der Parkbank den Jugendstreetworkern leicht. Sie sind aufgeschlossen und fassen schnell Vertrauen in Eickmann und Görke. Und dann fangen die Frauen an zu erzählen. Von ihren kleineren und größeren Problemen. Beide machen gerade ihr Fachabitur. Eine wird konkret: Sie ist auf Unterstützung vom Jobcenter angewiesen, hat im Augenblick aber Schwierigkeiten mit bürokratischen Formalien. Die Zeit dränge, sonst könne sie bald ihre Miete nicht mehr zahlen.

Die Ansprache - so nennen die zwei Jugendstreetworker ihre Gespräche - dauert eine halbe Stunde. Das ist länger als gewöhnlich. Es wirkt so, als hätten die zwei jungen Frauen jemanden gebraucht, der zuhört und Verständnis schenkt. Das Gespräch beenden Krefelds Jugendstreetworker mit einem Angebot: Die Frauen dürften sich jederzeit melden und sollten sich vor allem nicht scheuen, Hilfe anzunehmen. Dann ziehen sie weiter. Über die Innenstadt Richtung Voltaplatz.

Das Jugendstreetwork der Stadt Krefeld gibt es seit dem vergangenen Jahr, die Stellen von Eickmann und Görke sind im Fachbereich Jugendhilfe und Beschäftigungsförderung angesiedelt. Allein im zweiten Halbjahr 2023 haben die beiden 330 Ansprachen gehalten. „Das Jugendstreetwork bietet niederschwellige Unterstützung, Beratung und Begleitung für junge Menschen von 14 bis 27 Jahren", erklärt Lars Görke. „Ganz wichtig dabei ist: Wir sind für alle da. Und all unsere Angebote sind vertraulich, anonym, respektvoll und freiwillig." Häufig haben die Klienten ihren Lebensmittelpunkt auf der Straße. Ihnen fehlt ein Zuhause. Viele haben den Anschluss an ein geregeltes Leben verloren. „Wir möchten diese Menschen wieder zurück ans System anbinden", sagt Verena Eickmann.

Seit dem vergangenen Jahr bilden Verena Eickmann und Lars Görke das Jugendstreetwork-Team der Stadt Krefeld. Ihre Angebote richten sich an 14- bis 27-Jährige. Foto: Stadt Krefeld, Presse und Kommunikation, A. Bischof
Seit dem vergangenen Jahr bilden Verena Eickmann und Lars Görke das Jugendstreetwork-Team der Stadt Krefeld. Ihre Angebote richten sich an 14- bis 27-Jährige. Foto: Stadt Krefeld, Presse und Kommunikation, A. Bischof

Aufsuchende Arbeit, Einzelberatung und Weitervermittlung

Jeden Tag sind Krefelds Jugendstreetworker in der Stadt unterwegs, um jungen Menschen gezielt Hilfe anzubieten. Häufig schließt sich an die aufsuchende Arbeit auf der Straße eine kostenlose Einzelberatung mit Weitervermittlung zu den entsprechenden Unterstützungsangeboten an. Die Jugendstreetworker sind gut mit dem Jobcenter vernetzt, halten engen Kontakt zu den Jugendzentren. Die beiden begleiten ihre Klienten aber auch zu Ämtern, zum Arzt oder zur Wohnungsbesichtigung. Sie erledigen Anrufe. Sie machen das, wozu ihre Klienten keine Kraft mehr haben und sind ihnen damit eine wichtige Stütze. Jugendstreetwork ist oft Krisenintervention. Im vergangenen September trafen Eickmann und Görke einmal einen obdachlosen Klienten, gerade erst 23 Jahre alt. Die meisten Nächte hatte er auf der Straße geschlafen. Zuerst haben sich die Jugendstreetworker um einen Schlafsack gekümmert, anschließend die nötigen Maßnahmen für die Sozialhilfe arrangiert. Wenige Wochen später war der Klient in einem betreuten Wohnen integriert. „Solche Geschichten motivieren uns ungemein", sagt Lars Görke.

Viele Ansprachen dauern nur wenige Augenblicke. Manchen Jugendlichen ist es unangenehm, vor den eigenen Freunden Hilfe anzunehmen. Andere sind zunächst etwas skeptisch oder schlicht nicht interessiert. Eickmann und Görke akzeptieren das und hinterlassen meistens unverbindlich ihre Kontaktdaten. Ihnen ist eine unkomplizierte Kontaktaufnahme - auch hinterher - sehr wichtig. Angepasst an die Lebensrealität ihrer Klienten sind die Jugendstreetworker über WhatsApp oder Instagram erreichbar. Der Zulauf über diese Kanäle ist sehr hoch. Egal ob in der digitalen oder analogen Sphäre: Die Klienten treffen auf ein funktionierendes Duo - was essenziell für dessen Arbeitsalltag ist. Eickmann und Görke begegnen jeden Tag schwermütigen Themen: Drogen, Wohnungslosigkeit, traumatische Biographien. Sie müssen resilient und belastbar sein. Und gerade deshalb die Gewissheit haben, sich vollends verlassen zu können. Beide sind 29 Jahre alt, beide haben Soziale Arbeit studiert. „Junge Menschen haben noch das ganze Leben vor sich", erklärt Verena Eickmann ihre tagtägliche Motivation. „Da schlummern häufig ganz viele Ziele und Wünsche. Und es lohnt sich, daran gemeinsam zu arbeiten, auch wenn für den Moment erst einmal alles aus dem Ruder gelaufen zu sein schein."

Täglich unterwegs: Stadtgarten, Innenstadt, Voltaplatz

Am nächsten Nachmittag klingelt das Telefon. Es ist eine der beiden Frauen aus dem Stadtgarten. Sie hat nach dem Gespräch am Vortag ihre Unterlagen sortiert, benötigt aber Unterstützung bei der weiteren Bearbeitung und vereinbart einen Termin mit den Jugendstreetworkern. Wenige Stunden später sind Verena Eickmann und Lars Görke wieder auf Krefelds Straßen unterwegs - Stadtgarten, Innenstadt, Voltaplatz. Hier gibt es junge Menschen. Hier gibt es Probleme. Aber hier gibt es auch die Jugendstreetworker, die zuhören und helfen.

Das Jugendstreetwork der Stadt Krefeld bietet offene Sprechstunden an: jeden Mittwoch von 13.30 bis 15.30 Uhr in den Räumen des Jugendbeirats (Ostwall 107) und jeden Montag von 15.30 bis 17.30 Uhr im Quartiersbüro Lehmheide (Gladbacher Straße 205). Hierfür sind keine Anmeldungen notwendig. Interessierte können sich auch via E-Mail an jugendstreetwork@krefeld.de oder unter Telefon 0 21 51 / 86 38 06 melden. Die beiden sind zudem per WhatsApp unter Telefon 0 16 09 14 09 83 9 sowie 0 16 09 72 78 91 8 und bei Instagram („jugend.streetwork.47") erreichbar.

 

Weitere Beiträge mit Video:

Jugendstreetwork unterstützt junge Menschen in Lebensnotlagen
Das Jugendstreetwork der Stadt Krefeld gibt es seit dem vergangenen Jahr, die Stellen von Eickmann und Görke sind im Fachbereich Jugendhilfe und Beschäftigungsförderung angesiedelt. Allein im zweiten Halbjahr 2023 haben die beiden 330 Ansprachen gehalten.
Seit dem vergangenen Jahr bilden Verena Eickmann und Lars Görke das Jugendstreetwork-Team der Stadt Krefeld. Ihre Angebote richten sich an 14- bis 27-Jährige. Foto: Stadt Krefeld, Presse und Kommunikation, A. Bischof
Bewegender Auftakt in die Aktionswochen gegen Rassismus
Jedes Jahr am 21. März wird der Internationale Tag gegen Rassismus begangen. Er wurde 1966 von den Vereinten Nationen (UNO) ausgerufen. Um diesen Tag herum finden die Internationalen Wochen gegen Rassismus in zahlreichen Kommunen im ganzen Bundesgebiet statt.
Beim Auftakt der Internationalen Wochen gegen Rassismus mit dabei waren (von links) Comedian Benaissa Lamroubal, Abteilungsleiterin Integration Sengül Safarpour, Schulleiter des Hannah-Arendt-Gymnasiums Hans-Jörg Richter, Irina Golmann und Özben Önal vom Kommunalen Integrationszentrum sowie Sozialpädagogin Zehra Bal, Integrationsbeauftragte Dr. Silvia Fiebig und Fachbereichsleiter Migration und Integration Andreas Pamp. Bild: Stadt Krefeld, Presse und Kommunikation, Dirk Jochmann
Sport bald wieder möglich: Halle an der Breslauer Straße leergezogen
Am 12. März waren die Ausräumarbeiten weitestgehend abgeschlossen: Die Sporthalle an der Breslauer Straße in Gartenstadt, die rund vier Monate lang geflüchteten Menschen als Unterkunftsstätte diente, steht dem Schul- und Vereinssport schon bald wieder zur Verfügung.
Stadtdirketor Markus Schön (rechts im Bild) und Mitarbeitende vom Zentralen Gebäudemanagement vor der Turnahlle an der Breslauer Strasse. Bild: Stadt Krefeld, Presse und Kommunikation
Sportanlage: Arbeiten an der Edelstahl-Kampfbahn voll im Zeitplan
Wo sonst Fußballmannschaften trainieren und Läufer ihre Runden drehen, sind aktuell Bagger und schwere Baumaschinen im Einsatz. Es türmen sich Erdhügel, Gräben sind ausgehoben, aber dazwischen sind schon die Umrisse neuer Spielfelder und Laufbahnen erkennbar.
Sanierungsarbeiten an der Edelstahl-Kampfbahn. Bild: Stadt Krefeld, Presse und Kommunikation, Andreas Bischof
Vom Schutzsuchenden zum Vermessungstechniker
Als Schutzsuchender kam Nafez Omar mit 18 Jahren aus Syrien nach Deutschland. Über das Projekt „Qualifizierung von syrischen Geflüchteten in deutschen Kommunalverwaltungen“ wurde er auf die Stadt Krefeld aufmerksam. Drei Jahre dauerte die Ausbildung. Heute ist er Vermessungstechniker.
Im Team von Marvin Byrasch (rechts) ist Nafez Omar richtig angekommen. Bild: Stadt Krefeld, Presse und Kommunikation