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Krefelds Zentrales Gebäudemanagement als Vorreiter für nachhaltiges Bauen

Veröffentlicht am: 03.08.2022

ZGM-Leiter Rachid Jaghou im Interview

Die Stadt Krefeld möchte bereits im Jahr 2035 klimaneutral sein. Das hat die Politik 2021 im Umweltausschuss beschlossen. Fast gleichzeitig traf auch der Betriebsausschuss des Zentralen Gebäudemanagements (ZGM) im vergangenen Jahr eine wichtige Entscheidung für den Klimaschutz und verabschiedete die „Planungsanweisungen für Städtische Liegenschaften" mit der Anlage „Nachhaltiges Bauen". Rund ein Jahr später zieht ZGM-Leiter Rachid Jaghou im Interview Bilanz.

 Als Leiter des Zentralen Gebäudemanagements ist es Rachid Jaghou ein besonderes Anliegen, das Thema Nachhaltigkeit in Bau- und Sanierungsprojekten voran zu bringen.  Foto: Stadt Krefeld, Presse und Kommunikation, A. Bischof
Als Leiter des Zentralen Gebäudemanagements ist es Rachid Jaghou ein besonderes Anliegen,
das Thema Nachhaltigkeit in Bau- und Sanierungsprojekten voran zu bringen.
Foto: Stadt Krefeld, Presse und Kommunikation, A. Bischof

 

Was legen die „Planungsanweisungen für Städtische Liegenschaften" und die entsprechende Anlage fest?

Jaghou: Wenn wir als ZGM ein städtisches Gebäude sanieren oder ein Gebäude neu bauen, dann müssen wir uns an die verabschiedeten Planungsanweisungen für nachhaltiges Bauen halten. In diesen haben wir nicht nur Nachhaltigkeitsziele in zum Beispiel den Bereichen Ökologie, Ökonomie und Gesundheit festgehalten, sondern auch konkrete Maßnahmen benannt. Wird eine Sanierung oder ein Neubau geplant, müssen unsere Planer diese Maßnahmen immer einzeln prüfen. Nur mit ausführlichen Begründungen dürfen die Maßnahmen aus den Anforderungen an ein Bauprojekt gestrichen werden. Es gilt also immer, möglichst viele Maßnahmen umzusetzen und so möglichst nachhaltig zu bauen oder zu sanieren. Krefeld gehörte übrigens mit zu den ersten Kommunen in Deutschland überhaupt, die so eine Verpflichtung verabschiedet hat.

Insgesamt bestimmt die Vorlage zu 19 Teilgebieten Maßnahmen. Teilweise sind pro Teilgebiet bis zu vier Maßnahmen angefordert. Wie sehen diese konkret aus?

Jaghou: Wenn wir uns zum Beispiel die Maßnahmen zu „Lebenszykluskosten" anschauen, dann verpflichten wir uns hier, dass wir Ver- und Entsorgungskosten, Reinigungskosten, Wartungs- und Instandsetzungskosten im Rahmen des Bauprojektes prüfen müssen. Außerdem verpflichten wir uns, die Lebenszykluskosten auf Basis der Herstellerkosten zu berechnen und dafür ein besonderes Tool zu nutzen. Unser Ziel ist es, dass wir dadurch die ökonomische Qualität anhand der langfristigen, gebäudebezogenen Kosten im Lebenszyklus beurteilen und die Nutzungsdauer von Bauteilen und Anlagetechnik berücksichtigen. Langfristig erreichen wir dadurch, dass sich die gebäudebezogenen Kosten im Lebenszyklus minimieren und wir es schaffen, den Lebenszyklus von Anlagen zu verlängern. Das ist nachhaltig.

Zu den Anforderungen gehört auch eine Negativliste unerwünschter Stoffe und Substanzen. Wir möchten keine Stoffe bei Sanierungen oder im Neubau verwenden, die die Raumluftqualität negativ beeinflussen oder dem Umwelt- und Ressourcenschutz schaden. Wir verzichten beispielsweise komplett auf Montageschäume, und in vielen Bereichen dürfen nur besonders geprüfte, lösungsmittelfreie Produkte genutzt werden.

Nachhaltig zu bauen oder zu sanieren geht oft mit dem Vorurteil einher, die Wirtschaftlichkeit negativ zu beeinflussen. Finden Sie, dass sich Wirtschaftlichkeit und Nachhaltigkeit widersprechen?

Jaghou: Auf keinen Fall. Um meine Argumentation zu verstehen, müssen wir definieren, was „Wirtschaftlichkeit" eigentlich meint. Für mich geht es hier nicht nur um Finanzen, sondern ich stelle mir die Frage: Was gewinne ich dadurch, wenn ich nachhaltig baue? Und der Gewinn ist groß. Betrachte ich zum Beispiel Mitarbeitende, dann kann ich messen, dass sie sich wohler fühlen, dass sie weniger gesundheitliche Einschränkungen haben und dadurch weniger krank sind. Unsere Partnerstadt Venlo hat hier konkrete Daten gesammelt. Die Verwaltung ist vor einigen Jahren in ein „gesundes Haus" umgezogen, das nach dem Prinzip der Kreislaufwirtschaft, dem sogenannten „Cradle to Cradle"-Verfahren, gebaut wurde. Das bedeutet, dass alle Materialien, die hier eingesetzt wurden, biologisch abbaubar sind. Dieser Umzug wurde durch Forschungen begleitet. Die Mitarbeitenden waren nachweislich gesünder, glücklicher, und die Krankheitstage verringerten sich. Auch das ist wirtschaftlich.

Fachkräftemangel und Rohstoffknappheit sind zwei Themen, die auch Sie beschäftigen und die Arbeit des ZGMs erschweren. Erhöhen Sie mit dem Anspruch, nachhaltig zu bauen und zu sanieren, nicht noch weiter den Druck auf die Arbeit des ZGMs?

Jaghou: Wir beschäftigen viele Quereinsteiger im ZGM, und ich merke, dass sich mein Team mit dem nachhaltigen Bauen identifiziert. Das Interesse an Weiterbildungen in dem Bereich ist groß, und wir haben schon viele Workshops durchgeführt. Dass wir als Betrieb Verantwortung übernehmen und dazu beitragen können, am Klimaschutz mitzuarbeiten, macht die Mitarbeitenden stolz. Viele Leistungen werden bei uns auch durch Architekturbüros begleitet. Auch hier merke ich Veränderungen: In vielen großen Büros gibt es bereits Mitarbeitende, die sich ausschließlich mit dem nachhaltigen Bauen beschäftigen, aber auch die kleinen Büros ziehen nach. Ich würde mir dennoch wünschen, dass im Grundstock auch bundesweit Veränderungen stattfinden und sich zum Beispiel weitere Hersteller den ökologischen Grundgedanken anschließen, damit nachhaltiges Bauen kein Spartenprojekt bleibt.

Vor rund vier Jahren haben Sie die Leitung des ZGMs übernommen. Warum ist Ihnen persönlich das Engagement für nachhaltiges Bauen ein Anliegen?

Jaghou: Zum städtischen Eigentum gehören mehr als 1.000 Immobilien. Wir haben nicht nur eine Verantwortung, sondern sind auch Vorbild für die Bürgerinnen und Bürger. Ich möchte zeigen, dass nachhaltige Sanierung und nachhaltiges Bauen immer möglich sind. Ein gutes Beispiel dafür ist die Fassadenbegrünung, die am Rathaus, an der Volkshochschule und an der Fabrik Heeder geplant ist. Viele denken, Fassadenbegrünung und Denkmalschutz nicht zusammenpassen - das stimmt nicht. Wir müssen nur wissen, wie. Und da möchten wir mit dem ZGM mit gutem Beispiel vorangehen.

 

Das Haus der Bildung gilt als Vorzeige-Neubauprojekt im Bereich des nachhaltigen Bauens.  Foto: Stadt Krefeld, Zentrales Gebäudemanagement
Das Haus der Bildung gilt als Vorzeige-Neubauprojekt im Bereich des nachhaltigen Bauens.
Foto: Stadt Krefeld, Zentrales Gebäudemanagement

Beispielprojekte: Hier baut und saniert die Stadt nachhaltig
Haus der Bildung

Das Haus der Bildung gilt als Vorzeige-Neubauprojekt im Bereich des nachhaltigen Bauens. Bereits im Planungsprozess wurden eine Ökobilanz und ein Rückbau- und Recyclingkonzept erstellt, das unter anderem eine nachhaltige Materialauswahl mit den Schwerpunkten „gesundes Bauen", „Raumluftqualität" und „schadstoffarme Materialien" berücksichtigt. Neben Gründächern, begrünten Fassaden und der Nutzung von regenerativen Energien, wie Geothermie, Fernwärme und einer Photovoltaikanlage, haben die Planer die Flächeneffizienz und Anpassungsfähigkeit optimiert. Auch die thermische Situation kritischer Räume, zum Beispiel in Bezug auf den sommerlichen Wärmeschutz, wurde untersucht. Eine Lüftung mit einem Wärmerückgewinnungssystem und einer CO2-Steuerung sind ebenfalls Teil der Planung. Das Haus der Bildung wird nach den KfW 55-Standards für energiesparende Gebäude gebaut.

 

Die Prinz-Ferdinand-Schule wird im Moment im Rahmen der Nachhaltigkeitskriterien der Stadt saniert.  Visualisierung: Stadt Krefeld, Zentrales Gebäudemanagement
Die Prinz-Ferdinand-Schule wird im Moment im Rahmen der Nachhaltigkeitskriterien der Stadt saniert.
Visualisierung: Stadt Krefeld, Zentrales Gebäudemanagement

Prinz-Ferdinand-Schule

Die Gebäude der ehemaligen Hauptschule auf der Prinz-Ferdinand-Straße werden zur dreizügigen Grundschule umgebaut und erweitert. Nachhaltigkeitskriterien wurden bereits bei der Planung berücksichtigt. Das neue Geschoss ist in Holzbauweise errichtet, die Fenster sind eine Holz-Aluminium-Konstruktion. Holz ist ein nachwachsender, CO2-neutraler Rohstoff. Im obersten Geschoss werden spezielle Fensterelemente eingebaut, die bei Spitzentemperaturen nachts selbstständig öffnen und eine Querlüftung der Etage ermöglichen. Statt Kippfenstern werden großformatige Drehflügel mit Feststeller eingebaut, die den Lüftungsquerschnitt maximieren. Das bestehende Schulgebäude kommt dadurch ohne Lüftungsanlage aus. Die Schule erhält außerdem eine Dachbegrünung sowie eine PV-Anlage. Im Gebäude wird eine stromsparende LED-Beleuchtung mit Bewegungsmeldern eingebaut. Der gesamte Gebäudekomplex inklusive Turnhalle wird nach Abschluss der Maßnahme über Fernwärme beheizt. Die Lüftungsanlage der Mensa ist mit Wärmerückgewinnung ausgestattet.

Während der Baumaßnahme wird außerdem auf Baum- und Wurzelschutz geachtet. Der Neubau erhält zum Beispiel einen Einschnitt zu Gunsten einer denkmalgeschützten Linde. Der Bezug zur Natur wird auch im räumlichen Konzept deutlich: In unmittelbarer Nähe zum Stadtgarten lernen die Kinder durch die Aufstockung des Kerngebäudes in Mitten der Baumkronen und haben vom Lerncluster im Erdgeschoss direkten Zugang in den Stadtgarten und Gartenhof. Durch einen Spielplatz in Form von Baumhäusern und ein grünes Klassenzimmer werden Kreativität und Entdeckerlust geweckt.

 

 

 

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