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Kresch-Theater zeigt das Stück einer mutigen Frau in der NS-Zeit

Veröffentlicht am: 17.10.2023

PK im Kresch-Theater zum Stück "Anna Tervoort,..." mit Schauspielerin Anja Balzer und Regisseur Franz Mestre. Bild: Stadt Krefeld, Presse und Kommunikation, Andreas Bischof
PK im Kresch-Theater zum Stück "Anna Tervoort,..." mit Schauspielerin Anja Balzer und Regisseur Franz Mestre. Bild: Stadt Krefeld, Presse und Kommunikation, Andreas Bischof

Gerechte unter den Völkern

„Frau Werner kann hierbleiben." Mit diesem Satz rettet Anna Tervoort wohl einer ihr unbekannten Krefelderin das Leben. Denn Johanna Werner ist Jüdin und soll deportiert werden. Anna Tervoort versteckt die Frau auf ihrem Bauernhof in Traar vor den Nationalsozialisten. Und es gelingt tatsächlich, dass Johanna Werner bis zur Kapitulation unerkannt in der Stadt überlebt. Für ihren mutigen Entschluss und ihr Handeln ehrt die Gedenkstätte Yad Vashem 1997 Anna Tervoort (1909-2003) als „Gerechte unter den Völkern". Sie ist bislang die einzige Krefelderin, die auf diese Weise geehrt wurde. Das Kresch-Theater, Krefelder Schauspiel für Kinder und Jugendliche, zeigt als Beitrag zum 650. Stadtjubiläum die Geschichte dieser außergewöhnlichen Frau. Die Premiere ist am Samstag, 21. Oktober.

Kleine, aber wichtige Produktion für das Jubiläumsjahr

„Es ist eine kleine, aber wichtige Produktion für das Jubiläumsjahr", betont Kresch-Intendantin Isolde Wabra. Die gut 50-minütige Ein-Personen-Inszenierung (Anna Balzer) sei eine Annäherung an die wahre Anna Tervoort und kein historisches Nachspiel. „Ich bin nicht Anna Tervoort. Ich habe auch keine Ahnung, wie sie gelebt hat", stellt Balzer zu Beginn klar. Denn so viel ist über ihr Leben auch nicht bekannt. Nur fünf Fotos von ihr seien bekannt. In der NS-Dokumentationsstelle befinde sich über sie zudem noch eine Akte. „Bei bescheidenen Menschen gibt es oft wenig Nachlass", meint Regisseur Franz Mestre. In mehreren Gesprächen näherten sich Schauspielerin und Regisseur der Bühnenfigur an. „Was mich packt sind die Werte, die mich heute noch bewegen", so Balzer. Nicht sagen „Man müsste...", sondern handelt, wie es Anna Tervoort tat.

Frau Werner kann hier bleiben

Im September 1944 stießen die Alliierten mit der Operation Market Garden in die Niederlande und an den Niederrhein vor. Keine 100 Kilometer entfernt in Krefeld sollte in diesem Zeitraum die Deportation unter anderem von Menschen aus sogenannten „Mischehen" erfolgen. Die Nationalsozialisten wollten dabei jüdische Ehepartner in Konzentrationslager verschleppen und dort ermorden. In Krefeld waren zwischen 50 und 60 Menschen betroffen, darunter auch Johanna Werner. Während ihr Mann und ihre beiden Kinder weiterhin in der Stadt bleiben durften, versteckte sich die Frau in und um Krefeld. Ihr Mann konnte schließlich einen Bauern dazu bewegen, sie auf seinem Hof zu verbergen. Doch dessen Frau weigerte sich, so dass er seine Schwägerin Anna Tervoort in Traar fragte. „Frau Werner kann hier bleiben", sei ihre spontane Antwort gewesen. In einem Verschlag auf dem Bauernhof an der Nieper Straße musste sie sich dann verstecken. Doch ihre Anwesenheit wurde in der Nachbarschaft dennoch bekannt.

Bunker am Hauptbahnhof

„Geben Sie mir ein halbes Schwein, oder ich verrate, dass Sie eine Jüdin verstecken", versuchte ein „Volksgenosse" die Bäuerin zu erpressen. Johanna Werner musste den Hof verlassen. Zuerst fand sie Zuflucht bei einem Zahnarzt. Anna Tervoort und der Ehemann von Werner versorgten sie weiter mit Lebensmitteln. Nach einem Bombenangriff Anfang Januar 1945 lebte Johanna Werner im Bunker am Hauptbahnhof. Dort herrschte Chaos, und keiner kontrollierte sie mehr. Zusammen mit ihrem Mann und den Kindern erlebte sie, wie US-Militär Ende Februar, Anfang März des Jahres 1945 Krefeld besetzte.

Mutiges Handeln

Etwas mehr als 20 Krefelder Juden konnten sich zwischen Herbst 1944 und März 1945 vor ihrer Deportation retten. Dabei halfen ihnen andere Menschen, indem sie zum Beispiel mit den Verfolgten ihre Lebensmittelmarken teilten oder sie versteckten. Anna Tervoort scheint ihr mutiges Handeln als selbstverständlich empfunden zu haben. Nach dem Krieg habe sie kein Aufheben darum gemacht. Im Rahmen eines Forschungsprojektes über sogenannte Mischehen in den 1990er-Jahren berichtete die Tochter von Johanna Werner von der Rettung ihrer Mutter durch Anna Tervoort. Beide Frauen blieben auch nach dem Zweiten Weltkrieg in einem freundschaftlichen Kontakt.

Nachgespräch

Für die Premiere von „Anna Tervoort - Gerechte unter den Völkern" am Samstag, 21. Oktober, gibt es noch Karten. Das Stück ist für Kinder ab zwölf Jahren, Jugendliche und Erwachsene geeignet. Eine weitere Aufführung ist am Samstag, 21. Januar, 2024 um 19 Uhr in Kresch-Theater an der Virchowstraße 130. Weitere einzelne Abendtermine sind geplant. „Erstmal sind wir mit dem Stück in Schulen unterwegs", betont Wabra. Es sei jedoch kein Klassenzimmer-Stück. Aus rein praktischen Gründen sei ein größerer Raum wie eine Aula für die Inszenierung notwendig. Mobile Termine müssen mindestens drei Wochen vorher angefragt werden. Auf Wunsch kann auch im Kresch-Theater gespielt werden. Zu den Schulaufführungen findet ein Nachgespräch statt. Weitere Informationen und Kosten können erfragt werden unter Telefon 0 21 51 / 86 26 26 und per E-Mail an kresch@krefeld.de.