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Oberbürgermeister Frank Meyer warnt vor Gefahren für Demokratie
Veröffentlicht am: 04.10.2024
Rede von Oberbürgermeister Frank Meyer beim Konzert anlässlich des Tags der Deutschen Einheit im Seidenweberhaus. Foto: Stadt Krefeld, Presse und Kommunikation, Andreas Bischof
35 Jahre nach dem Mauerfall hat Oberbürgermeister Frank Meyer in seiner Rede zum 3. Oktober bei der traditionellen Feier zum Tag der deutschen Einheit vor einem Erstarken des Rechtsextremismus in Deutschland und Europa gewarnt. „Heute steht in unserem Land eine ganz andere Mauer im Fokus - die Brandmauer der Demokraten gegen die extreme Rechte", betonte der Oberbürgermeister in seiner Ansprache im Seidenweberhaus. „Wir brauchen diese Brandmauer mehr denn je - nicht nur in unseren Parlamenten, sondern in der gesamten Gesellschaft: Wir alle müssen diese Brandmauer sein. Mit den jüngsten Wahlergebnissen im Osten unseres Landes haben wir die Phase von ‚Wehret den Anfängen!' endgültig hinter uns gelassen. Wir dürfen nicht dabei zusehen, wie diese Weltsicht wieder in unsere Gesellschaft einsickert und als steter Tropfen die Demokratie von innen aushöhlt: Unsere Geschichte, die sechs Millionen Opfer des Rassenwahns und die Millionen Kriegstoten, Versehrten und Vertriebenen verpflichten uns dazu, den Nazis entgegenzutreten."
Frank Meyer brachte seine Sorge darüber zum Ausdruck, dass im Osten knapp ein Drittel der Bevölkerung eine Partei gewählt habe, die „vom Verfassungsschutz beobachtet wird und in der faschistisches Gedankengut mittlerweile herrschende Meinung ist". Es gelte, „Flagge zu zeigen", so wie das Hunderttausende im Frühjahr auf Straßen und Plätzen in ganz Deutschland getan hätten, nachdem Pläne zu einer massenhaften „Remigration" eingewanderter Menschen bekannt wurden: „Hinter solchen Gedankenspielen zeigt sich die hässliche Fratze einer völkischen Weltsicht: Wir dürfen nicht aufhören, uns darüber zu empören."
Der Oberbürgermeister forderte eine wehrhafte Demokratie, die „nicht tatenlos bei ihrer eigenen Abschaffung" zusieht, sondern „alle Mittel des Rechtsstaats anwendet, um hart gegen Verfassungsfeinde" vorzugehen. Zugleich müsse es der breiten Mehrheit gelingen, die Menschen, die sich extremen Parteien zuwenden, zu überzeugen: „Wir werden neu um die Demokratie werben und kämpfen müssen." Frank Meyer verwies darauf, dass die Menschen im Osten zwei Diktaturen in Folge erlebt hätten: „Das macht etwas mit einer Gesellschaft. Diktaturen lähmen und schüchtern die Menschen ein: Die Offenheit, die Demokratien so auszeichnet, ist in solchen Ländern lebensgefährlich."
Die Demokratie als „beste aller Alternativen"
Der Teil der jungen Menschen, der derzeit besonders empfänglich für extremistische Botschaften sei, müsse durch Bildung und Kultur aufgeklärt und neu für Rechtsstaat und Grundgesetz gewonnen werden. „Ja, Demokratie ist immer mühsam, oft langwierig, gelegentlich uneffektiv, manchmal hat sie unerwünschte Nebenwirkungen, ist zu weich, wo sie hart sein müsste, und zu zögerlich, wo sie handeln müsste: Aber sie ist und bleibt die beste aller Alternativen, wenn Menschen friedlich und respektvoll zusammenleben möchten", betonte Frank Meyer. „Das Gleiche lässt sich über das geeinte Europa sagen: Nicht alles an der Brüsseler Bürokratie taugt als leuchtendes Beispiel für zeitgemäße politische Kommunikation, aber das ändert nichts daran, dass dieses Europa seit Jahrzehnten der Garant für Frieden, Freiheit und Wohlstand ist - von den praktischen Vorteilen auf dem Arbeitsmarkt, in der Wirtschaft, beim Reisen und Bezahlen einmal ganz abgesehen. Unsere Großväter haben noch aufeinander geschossen, unsere Kinder studieren in Madrid, arbeiten in Barcelona oder finden in Sevilla die Liebe ihres Lebens: Niemand kann ernsthaft zurückwollen in die dunklen Zeiten, als die Nation auf diesem Kontinent fern von Rücksichtnahme und Kooperation über allem stand."
Konzert anlässlich des Tags der Deutschen Einheit im Seidenweberhaus. Foto: Stadt Krefeld, Presse und Kommunikation, Andreas Bischof
Letztlich seien 35 Jahre Mauerfall trotz der aktuellen politischen Entwicklungen immer noch ein Grund zu feiern, schloss der Oberbürgermeister: „Der Fall der Berliner Mauer und die Wiedervereinigung ein knappes Jahr später sind ein historischer Sieg des Guten über das Unrecht; ein eindrückliches Signal, dass Freiheit, Gerechtigkeit und das Leben selbst am Ende die Oberhand behalten gegen Angst, Gewalt und Denunziation. Vielleicht ist gerade das ein guter Weg, die Demokratie zu schützen - wir müssen sie feiern, gerade am 3. Oktober. Das darf kein hohles Ritual sein, keine lästige Routine: Man darf unsere Freude spüren, dass Deutschland wieder eins wurde, dass getrennte Familien wieder zusammenkamen, dass die unmenschliche Praxis an den Grenzen und in den Verhörzimmern der Stasi ein Ende hatte. Wir können am 3. Oktober aus tiefer Überzeugung und aus Stolz über den Gang der Geschichte deutsche Flaggen aufhängen - warum sollten wir dieses Symbol allein den Rechten überlassen?"
Partnerland der Feier war in diesem Jahr Spanien
Auch in diesem Jahr hing neben der deutschen Flagge eine europäische. Seit 2016 wird der Tag der Deutschen Einheit in Krefeld mit einem wechselnden europäischen Partnerland gefeiert, in diesem Jahr Spanien. Entsprechend hatten die Niederrheinischen Sinfoniker unter der Leitung von Generalmusikdirektor Mihkel Kütson das Programm des Abends gestaltet, mit Werken von Emmanuel Chabrier („España") und Joaquin Turina (El Castillo de Almodóvar op. 65 für Harfe und Orchester). Nach der Pause erklang die Sinfonie Nr. 6 D-Dur op.60 des Tschechen Antonin Dvořák. Solistin des Abends war Stella Farina an der Harfe. Der Erlös der Veranstaltung fließt traditionell an einen guten Zweck, diesmal an den Kinderschutzbund Krefeld.