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Premiere: Kresch-Theater zeigt ab 20. Januar „Die Wannsee-Konferenz“

Veröffentlicht am: 10.01.2025

Deportation von Juden aus Moers beim Transport mit der Krefelder Straßenbahn zum Hauptbahnhof Krefeld zur Deportation nach Riga. Bild: Stadt Krefeld, Presse und Kommunikation, Stadtarchiv_
Deportation von Juden aus Moers beim Transport mit der Krefelder Straßenbahn zum Hauptbahnhof Krefeld zur Deportation nach Riga. Bild: Stadt Krefeld, Presse und Kommunikation, Stadtarchiv

Izbica ist ein polnischer Ort südöstlich von Lublin. In das dortige Ghetto wurden Menschen deportiert, die in den sogenannten Vernichtungslagern Belzec und Sobibor ermordet werden sollten. Im Sprachgebrauch der NS-Täter wurden solche Ghettos auch Transit-Ghetto oder Durchgangsghetto genannt. Jeweils 149 Krefelder Juden wurden am 22. April und am 15. Juni 1942 dorthin gebracht - es war nicht der erste und nicht der letzte Transport aus Krefeld in Konzentrations- und Vernichtungslager. Wann und wie die Krefelder Juden „nach Osten evakuiert" wurden, um sie im Rahmen der „Endlösung der Judenfrage" systematisch zu töten, wurde auf der „Wannsee-Konferenz" am 20. Januar 1942 besprochen und vereinbart. Lediglich 15 Personen der NS-Bürokratie stimmten dabei über die geplante Ermordung von rund elf Millionen Juden in Europa ab. Sie kamen an jenem Wintertag in einer Villa am Großen Wannsee in Berlin zu einem Arbeitstreffen samt anschließendem Frühstück zusammen. Von dieser Konferenz blieb nur ein Protokoll erhalten. Es diente Autor Paul Mommertz (1930-2024) zusammen mit Aussagen von Adolf Eichmann in Jerusalem und aus anderen Quellen für ein Dokumentarspiel. Das Kresch-Theater, Krefelder Schauspiel für Kinder und Jugendliche, zeigt ab Montag, 20. Januar, sein Stück „Die Wannsee-Konferenz". Es ist aktuell die einzige Inszenierung des Stücks im deutschsprachigen Raum.

Vorbereitung auf die Inszenierung

Das Bühnenbild in der Fabrik Heeder versucht gar nicht erst, sich dem originalen Raum in der Berliner Villa anzunähern. Es geht mehr um Symbolik. Statt eines großen Tisches stehen sich so auf der Krefelder Bühne zwei Tischreihen in einem offenen „V" gegenüber. „Es ist so gestellt, dass man die Beteiligten und ihre Reaktionen sehen kann", sagt Isolde Wabra, Regisseurin und Kresch-Intendantin. Die Zuschauerplätze sind dabei so eingebunden, als ob sie Teil dieser Runde sein könnten. Zentral hängt eine Europakarte. Schwarze Punkte darauf markieren Städte, in denen Juden lebten. „Dazu kommen noch links und rechts Hakenkreuzfahnen", berichtet Wabra. Weil das Kresch-Theater über kein festes Ensemble verfügt, mussten die Rollen einzeln besetzt werden. Neben bekannten Schauspielern aus Krefeld stehen auch drei Absolventen von der Kölner Schauspielschule „Der Keller" auf der Bühne, die seit einiger Zeit mit dem Kresch-Theater kooperiert.

Während der Vorbereitung auf die Inszenierung setzten sich die Schauspieler mit den Biographien ihrer jeweiligen Rolle intensiv auseinander. Ihre detaillierten Kenntnisse über die Konferenzteilnehmer mussten sie unter anderem in Fragerunden mit dem Ensemble unter Beweis stellen. Die deutsche Beamtensprache und das Tragen der Uniformen verführen in ihrem Spiel, in eine Selbstverständlichkeit der damaligen Situation einzutauchen - oder gar abzurutschen. Beklemmender als das Schauspiel als solches ist die Sprache der Täter - funktional ausgerichtet, Effektivität anstrebend, unmenschlich kalt, unter den Beteiligten jovial, freundlich, bestimmend, wer zuständig ist. „Wir sagen schreckliche Dinge mit einer Selbstverständlichkeit, um authentisch zu wirken", erklärt Johannes Stelzhammer. Er verkörpert Reinhard Heydrich. Der Leiter des Reichssicherheitshauptamts wurde im Juli 1941 von Hermann Göring mit der „Endlösung der Judenfrage" beauftragt. „Die Sprache schafft die Distanz zur Sache. Für diese Männer ist das Alltag gewesen", ergänzt Sandra Franz, Leiterin der NS-Dokumentationsstelle der Stadt Krefeld. Sie hat das Theater inhaltlich beraten.

 vlnr: Lukas Metzinger (Unterstaatssekretär Martin Luther), Johannes Stelzhammer ( Chef der Sicherheitspolizei und des SD Reinhard Heydrich) und Oscar Nadermann (SS-Sturmbannführer Dr. Rudolf Lange).
vlnr: Lukas Metzinger (Unterstaatssekretär Martin Luther), Johannes Stelzhammer ( Chef der Sicherheitspolizei und des SD Reinhard Heydrich) und Oscar Nadermann (SS-Sturmbannführer Dr. Rudolf Lange).

Zusatztermin am 28. Januar

Das Stück „Die Wannsee-Konferenz" von Paul Mommertz fokussiert den Blick auf die bürokratische Grausamkeit von Schreibtischtätern und auch direkten Tätern an den Verbrechen. Es wurde zunächst als Fernsehspiel des Bayerischen Rundfunks 1984 veröffentlicht. Die jüngste filmische Umsetzung stammt aus 2022. Die Bühnenfassung wurde 1988 (Premiere) im Volkstheater Wien gezeigt. Vor zehn und 20 Jahren inszenierte Wabra das Stück zuerst in Österreich, dann in Neustrelitz in Mecklenburg-Vorpommern - und nun in Krefeld. Aufführungen in Deutschland, Österreich und der Schweiz erfolgten so gut wie gar nicht - aus welchen Gründen auch immer. Und so ist die Krefelder Bühne momentan das einzige Theater im deutschsprachigen Raum, welche das Stück zeigt.

Die Rheinstraße in Krefeld im Jahr 1939. Bild: Stadt Krefeld, Presse und Kommunikation, Stadtarchiv
Die Rheinstraße in Krefeld im Jahr 1939. Bild: Stadt Krefeld, Presse und Kommunikation, Stadtarchiv

Einige der 90-minütigen Aufführungen (eine Pause) inklusive der Premiere am 20. Januar sind bereits ausverkauft, für viele gibt es nur noch Restkarten. Ein Zusatztermin findet am Dienstag, 28. Januar, um 19 Uhr statt. Die Inszenierung kann über die anberaumten Termine auch als Gastspiel gebucht werden. Das Stück ist empfohlen ab 16 Jahre. Weitere Informationen, Kooperationspartner und Förderer, unter anderem die Kulturstiftung der Sparkasse, und Termine stehen unter www.kresch.de. Die Inszenierung und das pädagogische Programm werden von der NS-Dokumentationsstelle der Stadt Krefeld unterstützt. Es gibt Vor- und Nachbereitungen für Lehrkräfte, Gespräche nach jeder Vorstellung und auch Workshops. NRW-Kulturministerin Ina Brandes ist Schirmherrin und wird auch eine Vorstellung besuchen.