Inhaltsbereich
Stadtarchiv Krefeld erhält einen Foto-Schatz für seinen Bestand
Veröffentlicht am: 20.12.2023
Die Titelseite des Ledereinbandes ziert die Fassade des Krefelder Rathauses
„Das ist ein Schatz, den wir bekommen haben", freut sich sichtlich Dr. Olaf Richter. Der Leiter des Stadtarchivs Krefeld hält ein großes, schweres Fotoalbum in seinen Händen. Die Titelseite des Ledereinbandes ziert die Fassade des Krefelder Rathauses. Es ein Abschiedsgeschenk (1930) an den ehemaligen Oberbürgermeister Johannes Johansen (1870-1945). Das Fotoalbum stammt nicht aus dessen Nachlass, sondern aus dem Privatbesitz von Hermann Heinrichs. Er verstarb im vergangenen Herbst. Seine Nichten Roswita Engels und Renate Rommel-Hohneck haben das Album mit über 60 Fotos nun dem Stadtarchiv übergeben. „Darunter sind Aufnahmen, die sich bislang nicht im Bestand des Archivs befanden", sagt Archiv-Mitarbeiterin Fenja Schneiders.
Stellen das Fotoalbum vor (v.l.): Roswita Engels und Renate Rommel-Hohneck, Archiv-Mitarebiterin Fenja Schneiders und Dr. Olaf Richter, Leiter des Stadtarchivs Krefeld. Im Hintergrund der ehemalige Krefelder Oberbürgermeister Johannes Johansen. Foto. Stadt Krefeld, Presse und Kommunikation, Dirk Jochmann
„Unser Onkel wurde erst 1932 geboren. Er hat das Fotoalbum wohl irgendwann von unserem Großvater erhalten, der 1972 gestorben ist", vermutet Engels. Die beiden Nichten entdeckten das Album selbst erst vor fünf Jahren, als ihr Onkel in ein Altenheim umzog. „Es muss ihm wohl viel bedeutet haben, weil er es mitgenommen hat", so Rommel-Hohneck. Wie das Fotoalbum in den Besitz der Familie gelangte, lässt sich nicht mehr rekonstruieren. Ob das Album als Teil des Nachlasses von Johansens Kindern verschenkt oder verkauft wurde, auch diese Frage bleibt zurzeit unbeantwortet. Johannes Johansen starb kurz nach dem Zweiten Weltkrieg 1945 in Krefeld. Seine Amtszeit von 1911 bis 1930 prägten große gesellschaftliche und wirtschaftliche Herausforderungen wie die Inflation und die Weltwirtschaftskrise in den 1920er-Jahren. Mit seiner Person ist aber auch die Realisierung des Grüngürtels durch die Stadt verbunden. Von diesem Erbe aus zusammenhängenden Parks profitieren bis heute die Krefelder. Einige Aufnahmen im Album zeigen gerade diese Grünanlagen.
Aus dem Fotoalbum: Der Schwanenmarkt zur Weihnachtszeit.
Fotoalbum nach fast 100 Jahren in einem guten Zustand
„Es ist in einem sehr guten Zustand", sagt Schneiders. Außen wie innen seien keine großen Schäden erkennbar, wie sie beispielsweise durch Kriegseinwirkungen denkbar wären, wenn es unter Trümmern nach einem Bombenangriff gelegen hätte. Nur der Zahn der Zeit nagte in den vergangenen fast 100 Jahren ein wenig am und im Buch, vor allem an den Fotorändern. Der eigentliche Schatz befindet sich zwischen den Buchdeckeln. „Die rund 60 Aufnahmen sind alle Ende der 1920er-Jahre entstanden", so Schneiders. Jedes Bild wurde mit einer Bildunterschrift versehen. „Zwei Drittel sind Natur- und Alltagsszenen aus Krefeld", erklärt die Archiv-Mitarbeiterin.
Aus dem Fotoalbum: Kartoffelernte bei Oppum.
So zeigt eine Aufnahme die „Kliedbruchlandschaft", ein von einem Bach und Feuchtwiesen geprägtes wildes, ursprüngliches Gebiet, das einst außerhalb der Stadtgrenze lag, heute ein Wohngebiet ist. In der Vreed am Stadtwald entstand eine Aufnahme, die einen Grenzstein an einem Wassergraben zeigt. Einige Bilder vermitteln den Alltag in Krefeld, wie ein Bauer oder Knecht, der mit einem leeren Eimer an einer Kuhherde im Bruch vorbeigeht. Frauen und Männer, die bei Oppum auf einem Acker mit der Hand Kartoffeln ernten oder das Kommen und Gehen am Hauptbahnhof. Andere Fotos zeigen prägnante Gebäude und Plätze wie das Gymnasium am Moltkeplatz oder den Schwanenmarkt zur Weihnachtszeit, wo Geschäftsleute auf einem Banner werben: „Die Evertsstrasse ladet ein zum Kauf für's liebe Christkindelein".
Zu den Fotografen der Aufnahmen gehört auch der in Krefeld tätige Otto Scharf (1858-1947). Er war einer der wichtigen Vertreter der Kunstfotografie um 1900, deren fotografische Stilrichtung wegen ihrer Nähe zu einer malerischen Bildauffassung auch als „Piktorialismus" bezeichnet wurde. Bereits zu seinen Lebzeiten genoss der Fotokünstler über Krefeld hinaus eine große Wertschätzung. Obwohl er als Amateur galt, gewann er bereits 1890 in Frankfurt am Main einen ersten Preis, und 1893 erhielt er in Hamburg eine silberne Medaille für seine Bilder. Die Hamburger Kunsthalle und das Kaiser-Wilhelm-Museum erwarben einige seiner Arbeiten. Im Krefelder Bestand befinden sich rund 50 Werke von Otto Scharf, darunter auch Bilder vom Niederrhein und aus der verschneiten Krefelder Innenstadt.
Aus dem Fotoalbum: Römische Abteilung im Kaiser-Wilhelm-Museum.