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Teil 15: „Ich will euch dieses Teufels quitt machen..."

Veröffentlicht am: 12.04.2023

Als Martin Luther im Herbst 1517 seine Thesen an die Tür der Wittenberger Schlosskirche anschlug, waren die Auswirkungen in Krefeld zunächst noch nicht zu spüren. Erst in den Jahren 1542 bis 1545 kam es zu lebhaften Auseinandersetzungen. Beteiligt waren daran Beatrix von der Lipp und Johannes Schue, Pfarrer an der damaligen Dionysiuskirche (heute Alte Kirche). Pfarrer Schue, ursprünglich Prämonstratenser vom Kloster Steinfeld, war vom Kloster Meer, die das Patronatsrecht für Krefeld besaßen, in sein Amt eingesetzt worden. Beatrix von der Lipp war die Frau des Drosten Bertram, der auf der Burg Krakau als Vertreter des Grafen von Moers residierte. So begegneten sich auf diese Weise die in Krefeld herrschenden weltlichen und geistlichen Kräfte. Zu einem spektakulären Zwischenfall kam es am 8. April 1545. Drostin Beatrix erschien in Begleitung einiger Bediensteter vor der Kirche und forderte den Pfarrer auf, sie hereinzulassen. Als er das tat, ging die Dame zielstrebig zur Holzfigur des Hl. Dionysius und befahl, ihn zu entfernen: „Ich will euch dieses Teufels quitt machen und unter die Braupfanne stecken." Diese Worte hat Pfarrer Schue selbst in einem Dokument überliefert, auf das noch später eingegangen wird. Mit dieser Aktion fasste Beatrix von der Lipp einen der zentralen reformatorischen Angriffe auf die Papstkirche zusammen. Die Menschen sollten Gott ohne vermittelnde Heilige unmittelbar gegenübertreten. Auch die Vermittlung der hierarchischen Priesterschaft vom Papst bis zum Ortspfarrer wollte man nicht mehr akzeptieren. Stattdessen sollte man sich religiös selbst bestimmen können.

Stich von der Innenstadt um 1800.
Stich von der Innenstadt um 1800.

Diese Aktion war nicht die erste, mit der Pfarrer Schue konfrontiert wurde. Bereits drei Jahre zuvor hatte der damalige Landesherr Graf Wilhelm von Neuenahr-Moers den Geistlichen untersagt, für ihre religiösen Amtshandlungen sogenannte Opfergelder einzunehmen. Das war auch für den Krefelder Pfarrer ein empfindlicher Schlag. Über diese und weitere Einschränkungen hat Johannes Schue einen Bericht verfasst, der eine einzigartige Quelle für diese Epoche am Niederrhein darstellt. Unter dem Namen „vertzellong" (niederrheinisch „vertellen" für „erzählen") wurde sie bekannt und bereits 1903 vollständig publiziert. Von den zahlreichen Konflikten, denen sich der Geistliche ausgesetzt sah und von denen er detailgetreu berichtet, seien hier einige Beispiele genannt.

Weihwasser in der Kirche verboten

Beim Fest des Heiligen Dionysius, am 9. Oktober 1543, zwang Drost Bertram den Pfarrer einem der Lehre Luthers anhängenden Prediger in der Kirche reden zu lassen. Kurz darauf sollte Schue selbst für ein Jahr seine Predigten einstellen. Als nächstes wurde das Weihwasser in der Kirche verboten und zu Weihnachten forderte der Drost einen lutherischen Prediger auf, das Abendmahl mit Brot und Wein auszuteilen. Mit einer Einquartierung von dreißig Landsknechten im Pfarrhof, um die Schue sich kümmern sollte, dem bereits erwähnten Auftritt der Drostin in der Kirche und dem Verbot Zehnteinnahmen einzunehmen, wurde der Pfarrer weiter unter Druck gesetzt. Er beschwerte sich beim Kloster Meer und dem Grafen von Moers. Doch das Schreiben an den Landesherren musste er über den Drosten einreichen. Dieser fügte der Beschwerde noch ein Begleitschreiben bei, indem er den Pfarrer heftig kritisierte. Er ging sogar so weit, zu behaupten, dass der Pfarrer besser geeignet wäre, eine Taverne oder ein Bordell zu leiten als eine Kirche. Zu Pfingsten 1545 eskalierte die Situation weiter. Im Vorfeld erschien eine Delegation des Drosten, die verlangte, dass die Liturgie nach lutherischen Regeln gefeiert werden sollte. Sollte Schue sich widersetzten, drohte ihm die Entlassung. Der Pfarrer fügte sich und ging in der folgenden Zeit lieber Kompromisse ein als das Feld für einen lutherischen Prediger zu räumen „Ich gedenke, in Krefeld zu bleiben" hatte er in seinem Bericht, der nach den Pfingstereignissen endet, trotzig formuliert. 1564 ist er verstorben, nachdem er die letzten zehn Jahre von Graf Hermann von Moers, dem Sohn und Nachfolger von Graf Wilhelm, vielleicht auch aufgrund seines hohen Alters, geduldet wurde.

Für die folgenden Jahre bis 1561 fehlen für Krefeld kirchliche Nachrichten. Graf Hermann folgte der reichsrechtlichen Bestimmung des Augsburger Religionsfriedens von 1555, wonach der jeweilige Landesherr die Konfession seiner Untertanen bestimmen konnte. Nach dem Tod Pfarrer Schues setzte er einen Nachfolger ein, der den lutherischen Protestantismus verfestigte. In der Folgezeit konnte diese Glaubensrichtung stets auf die Unterstützung der Landesherren rechnen, zunächst im 17. Jahrhundert durch das Haus Oranien-Nassau und später dann durch Preußen.

Reformatorischen Impulse

Um 1550 hatte Krefeld immer noch einen dörflichen Charakter mit nicht mehr als 250 Einwohnern. Die reformatorischen Impulse kamen von außen, wurden über den Landesherren in die Stadt getragen. Die Bevölkerungsstruktur war kaum differenziert, ein sogenanntes „Bildungsbürgertum" gab es nicht. So werden die meisten Bewohner wenig Klarheit über die neue Lehre gehabt haben und werden daher nur die äußeren Veränderungen, etwas bei der Feier des Abendmahls oder den Wechsel von der lateinischen zur deutschen Sprache, wahrgenommen haben.

Mit der Unterzeichnung einer Urkunde durch Kaiser Karl IV. am 1. Oktober 1373 in Prag wird aus dem Dorf die Stadt Krefeld. 650 Jahre ist das nun her. Anlässlich des Jubiläums blickt das Stadtarchiv in chronologischer Folge mit Geschichten und Anekdoten in die Vergangenheit. Der Blick in die Historie richtet sich nicht alleine auf den kleinen Flecken, den mittelalterlichen Siedlungskern, sondern auf das Gebiet des heutigen Krefelds. Alle Beiträge werden unter www.krefeld.de/1373 und www.krefeld650.de veröffentlicht.

Alle Beiträge aus der Artikelreihe des Krefelder Stadtarchivs zum 650-jährigen Stadtjubiläum:
Teil 38: Die Eröffnung des Stadtbads
Bei der Eröffnung hielt man das Krefelder Stadtbad für die schönste, prächtigste und luxuriöseste Badeanstalt im deutschen Kaiserreich.
Das Herrenbad um 1903. Foto: Stadtarchiv Krefeld
Teil 37: 1887: Der 100.000 Einwohner wird geboren - Krefeld ist Großstadt
Am 19. November 1887 meldete die Crefelder Zeitung unter der Rubrik „Crefelder Angelegenheiten": Gestern Morgen ist endlich der lange erwartete 100.000 Bürger unserer Stadt eingetroffen.
Spielende Kinder in Krefeld. Foto: Stadtarchiv Krefeld
Teil 36: 1880: Johannes Brahms in Krefeld
Johannes Brahms, geboren 1833 in Hamburg, lebte ab 1872 in Wien. Als er 1880 das erste Mal Krefeld besuchte, war er schon ein weltberühmter Komponist.
Die Abbildung zeigt Brahms am Flügel nach einer Zeichnung von Willy von Beckerath.
Teil 35: Der Friedrichsplatz
Seit seiner Entstehung im Zuge der Stadterweiterungen im 18. Jahrhundert ist er immer wieder verändert worden. Die letzte, grundlegende Neugestaltung hat 1989 stattgefunden.
Friedrichsplatz mit dem Germania-Denkmal. Repro: Stadtarchiv
Teil 34: Zwei Kirchen der Krefelder Innenstadt: Liebfrauenkirche und St. Stephan
Der 15. November 1854 verbindet zwei Kirchen der Krefelder Innenstadt auf besondere Weise. An diesem Tag wurden die Grundsteine für die Liebfrauenkirche und St. Stephan gelegt.
Postkarte der Stephanskirche. Repro. Stadtarchiv Krefeld

Die Krefelder Rheinstraße im Jahr 1916. Bild: Stadt Krefeld, Stadtarchiv
Die Krefelder Rheinstraße im Jahr 1916.
Bild: Stadt Krefeld, Stadtarchiv

 

Informationen zur Reihe: Das Stadtarchiv blickt anlässlich des Stadtjubiläums in die Krefelder Geschichte

Prag. Freitag, 1. Oktober 1373. Mit der Unterzeichnung einer Urkunde durch Kaiser Karl IV. wird aus dem Dorf die Stadt Krefeld. 650 Jahre ist das nun her. Anlässlich des Jubiläums blickt das Stadtarchiv in chronologischer Reihenfolge mit Geschichten und Anekdoten in die Vergangenheit. „Das machen wir mit wissenswerten Beiträgen, aber auch mit humorvollen Geschichten", sagt Archivleiter Dr. Olaf Richter. Der Blick in die Historie richtet sich zwei Mal pro Woche nicht alleine auf den kleinen Flecken, den mittelalterlichen Siedlungskern, sondern auf das Gebiet des heutigen Krefelds.