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Teil 26: Durchgehendst sieht man großen Wohlstand herrschen.

Veröffentlicht am: 05.06.2023

Im März 1765 ordnete Friedrich II. eine weitere Stadtauslage für Krefeld an. Als Berater wurde die Familie von der Leyen eingebunden. In einem Dankesschreiben an den König zählten sie auf, was die Stadterweiterung für Krefeld bedeuten würde: neben der Beseitigung der Wohnungsnot vor allem bei den unteren Schichten erhoffte man sich einen vermehrten Zuzug von wohlhabenden Kaufleuten und damit verbunden weiteres Wirtschaftswachstum. Dem Schema klassizistischer Stadtbaukonzepte folgend, führte man dafür im Norden der Stadt von der Carl-Wilhelm-Straße bis zur Fabrikstraße ein rechtwinkliges Straßenraster fort. Nach kurzer Zeit wurden 188 Haus-Bauplätze festgelegt. Die Erweiterung ging in nördlicher Richtung bis zum damaligen Quarré (heute Friedrichsplatz), den Abschluss bildete das neu gebaute Niedertor (auch „Hülser Tor" genannt).
In den folgenden Jahren entstanden auch einige besonders prächtige Bauten, wie es sie in Krefeld bisher noch nicht gegeben hatte. Ein schönes Beispiel ist das heute noch erhaltene Floh'sche Haus an der Ecke Friedrich/Carl-Wilhelm-Straße. Entworfen wurde es von Michael Leydel, der mit mehreren repräsentativen Bauten das Stadtbild jener Zeit prägte. Bauherr war Johann von der Leyen, Seidenfabrikant und königlicher Kommerzienrat. Durch die Heirat seiner Enkelin Maria mit Cornelius Floh, erhielt das Haus seinen heutigen Namen. Die Westfassade an der Friedrichstraße, die trotz Schäden im Zweiten Weltkrieg weitgehend erhalten blieb, ist ein schönes Beispiel für die elegante Architektur des späten 18. Jahrhunderts. Die hellrosa Wandflächen sind mit weißen Stuckelementen verziert, besonders ins Auge fällt das feingliedrige, schmiedeeiserne Gitter des Balkons über dem Eingangsportal. Einen weiteren Akzent setzt das bekrönte Wappen auf dem Dach, das erst später, nachdem der Bauherr geadelt wurde, hinzukam.

Haus Floh an der Friedrichstraße um 1930. Foto: Stadtarchiv Krefeld
Haus Floh an der Friedrichstraße um 1930. Foto: Stadtarchiv Krefeld

Von den vielen prächtigen Stadthäusern an der Friedrichstraße ist das Floh'sche Haus als einziges erhalten geblieben und vermittelt so einen Eindruck vom ehemaligen Erscheinungsbild Krefelds. Vermutlich ist es auch einem berühmten Reisenden aufgefallen, der im Juli 1789 die Stadt besuchte: Wilhelm von Humboldt. Er hat folgenden Reisebericht hinterlassen: „Krefeld gewährt einen völlig anderen Anblick als die meisten Städte Deutschlands. Durchgehendst sieht man großen Wohlstand herrschen und bemerkt im ersten Augenblick, daß die Quelle dieses Wohlstandes Arbeitsamkeit und Kunstfleiß ist. In den vierundzwanzig Stunden, die ich da zubrachte, erinnere ich mich kein einziges Bild eigentlicher Armut gesehen zu haben. Die Häuser sind sehr gut, sehr egal, nur in holländischem Geschmack gebaut, doch weniger mit Zierraten überladen und überhaupt nicht so kleinlich. Einige verdienen auch in schönen Straßen Berlins eine Stelle. Die Straßen sind meistens schnurgerade und sehr regelmäßig, im höchsten Grade reinlich und gegen deutsche Städte gehalten vortrefflich gepflastert. Die ganze Stadt hat ein gefälliges, lachendes Ansehen. Die vorzüglichsten Etablissements sind die der Familie von der Leyen. Diese Familie ist Besitzer fast der ganzen Stadt. Jetzt leben drei Zweige davon: Konrad, Friedrich, Johann. Die ganze Stadt nährt sich von Fabriken und Handwerker. Der Ort soll siebentausend Einwohner haben. Die vorzüglichsten Fabriken sind die der von der Leyen." Als Humboldt Krefeld besuchte, kam es in Paris mit dem Ausbruch der Französischen Revolution zu Ereignissen, die sich zukünftig auch auf die Herrschaftsverhältnisse in Krefeld auswirkten.

Mit der Unterzeichnung einer Urkunde durch Kaiser Karl IV. am 1. Oktober 1373 in Prag wird aus dem Dorf die Stadt Krefeld. 650 Jahre ist das nun her. Anlässlich des Jubiläums blickt das Stadtarchiv in chronologischer Folge mit Geschichten und Anekdoten in die Vergangenheit. Der Blick in die Historie richtet sich nicht alleine auf den kleinen Flecken, den mittelalterlichen Siedlungskern, sondern auf das Gebiet des heutigen Krefelds. Alle Beiträge werden unter www.krefeld.de/1373 und www.krefeld650.de veröffentlicht.

Alle Beiträge aus der Artikelreihe des Krefelder Stadtarchivs zum 650-jährigen Stadtjubiläum:
Teil 53: Krefeld ist nur noch ein Trümmerhaufen - die Zerstörung Krefelds im Juni 1943
Abgeworfen wurden rund 2100 Tonnen von Minen-, Spreng-, Stabbrand- und Phosphorbrandbomben, viele davon fielen auch ins Hülser Bruch und Kempener Feld.
Blick vom Turm der Dionysiuskirche Richtung Westen. Foto: Stadtarchiv
Teil 52: 9./10. November 1938 Die Synagoge wird zerstört
In der Nacht vom 9. zum 10. November 1938 brach der Terror mit unglaublicher Wucht über die jüdische Bevölkerung herein.
Stadtplan Krefeld. Repro: Stadtarchiv
Teil 51: 1928-30 die Häuser Lange und Esters entstehen
Die beiden nebeneinander gelegenen Villen für die Direktoren der Vereinigten Seidenwebereien (Verseidag) Hermann Lange und Josef Esters entstanden in den Jahren 1928 bis 1930.
Haus Esters. Archivfoto: Volker Döhne
Teil 50: 1923 - die Separatistenunruhen in Krefeld
Um die 350 Krefelder sollen in den zwei Wochen der separatistischen Herrschaft aktiv gewesen sein.
Nach dem Kampf der Separatisten um das Rathaus. Repro: Stadtarchiv
Teil 49: 1922 - Gründung einer literarischen Gesellschaft
Die Literarische Gesellschaft gründete sich am 27. Februar 1922 als Unterabteilung des Sprachvereins. Das Programm war ambitioniert, mindesten einmal im Monat fand ein Vortrag statt.
Das Ricarda-Huch-Gymnasium. Repro: Stadtarchiv

Die Krefelder Rheinstraße im Jahr 1916. Bild: Stadt Krefeld, Stadtarchiv
Die Krefelder Rheinstraße im Jahr 1916.
Bild: Stadt Krefeld, Stadtarchiv

 

Informationen zur Reihe: Das Stadtarchiv blickt anlässlich des Stadtjubiläums in die Krefelder Geschichte

Prag. Freitag, 1. Oktober 1373. Mit der Unterzeichnung einer Urkunde durch Kaiser Karl IV. wird aus dem Dorf die Stadt Krefeld. 650 Jahre ist das nun her. Anlässlich des Jubiläums blickt das Stadtarchiv in chronologischer Reihenfolge mit Geschichten und Anekdoten in die Vergangenheit. „Das machen wir mit wissenswerten Beiträgen, aber auch mit humorvollen Geschichten", sagt Archivleiter Dr. Olaf Richter. Der Blick in die Historie richtet sich zwei Mal pro Woche nicht alleine auf den kleinen Flecken, den mittelalterlichen Siedlungskern, sondern auf das Gebiet des heutigen Krefelds.