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Teil 32: Der Vagedes-Plan

Veröffentlicht am: 28.06.2023

Ein architektonisches Erkennungsmerkmal für die Krefelder Innenstadt ist die Anlage der vier Wälle. Nach der endgültigen Niederlage Napoleons 1815 kam Krefeld erneut unter preußische Herrschaft. Zu dieser Zeit wuchs die Bevölkerung stetig. Eine erneute Stadterweiterung, bereits die sechste seit dem späten 17. Jahrhundert, war notwendig. Das Konzept dazu erstellte der aus Westfalen stammende und in Düsseldorf als Baumeister tätige Adolph von Vagedes (1777-1842). Er hatte in Paris studiert und war wie sein Zeitgenosse Karl Friedrich Schinkel ein Vertreter des klassizistischen Baustils. Als universal gebildeter und interessierter Mann hatte er auch große literarische Interessen. So begeisterte er sich für das Theater und komponierte Lieder nach Texten von Goethe und Schiller.

Klare, geometrische Formen entsprachen dem damaligen städtebaulichen Idealbild. Auch die vorangegangenen Stadterweiterungen aus dem 18. Jahrhundert hatten mit ihren gradlinigen und rechtwinkligen Straßenzügen eine rechteckige Grundform bereits vorgegeben. Daran orientierte sich auch Vagedes für seinen ersten Entwurf. Der Grundriss war in Form eines Kreuzes, dessen Seitenarme nach Osten und Westen über die Grenzen der heutigen Wälle hinausgingen. Der Baumeister wollte damit die großen Straßen an das auswärts gelegene Straßennetz anbinden, wozu der Landstraßenbau der napoleonischen Zeit die Vorrausetzungen geschaffen hatte.

Vagedes-Plan. Repro. Stadtarchiv Krefeld
Vagedes-Plan. Repro. Stadtarchiv Krefeld

Diese Verknüpfung der überörtlichen Anbindungen mit den bisherigen städtebaulichen Strukturen ist als eine der großen Leistungen des Vagedes-Plans zu sehen. Die zweite Besonderheit besteht in der Einbindung des bisherigen Stadtkerns in das rechteckige Geviert der Wälle. Dieses überspielt auch ein wenig die Tatsache, dass es innerhalb dieser Einheit eine davon abweichende diagonale Verbindung zwischen Dionysiuskirche, Altstadt und Neumarkt gibt.

Abgesehen von den klassizistisch geprägten Vorstellungen hat man in dem Entwurf auch Einflüsse der niederländischen Tradition gesehen. Holländische Kaufleute hatten schon 150 Jahre zuvor aus Ostasien die Idee einer übersichtlich strukturierten Stadt nach Europa gebracht. Ein prominentes Beispiel der Umsetzung ist der Wiederaufbau der 1689 zerstörten Stadt Mannheim. Im Vergleich mit Krefeld wird als prominentestes Vorbild sogar die innerhalb von Peking gelegene Kaiserstadt angeführt.

Der kreuzförmige Entwurf von Vagedes wurde im Gemeinderat als zu überdimensioniert abgelehnt. Auch die Bezirksregierung in Düsseldorf und das Innenministerium in Berlin hatten auf die Entscheidung Einfluss. Es gibt sogar Hinweise, dass die dann verwirklichte Rechteckform der vier Wälle letztlich in Berlin angeordnet wurde. Der von Vagedes entsprechend umgearbeitete Plan wurde im Oktober 1819 fertiggestellt.

Bis die vier Wälle dann in der später bekannten, charakteristischen Form als Flaniermeilen angelegt worden sind, dauerte es viele Jahre. Die Anlage des Ostwalls begann erst 1837 mit einer vom Gartenarchitekten Maximilian Friedrich Weyhe entworfenen Bepflanzung. Einen entscheidenden Impuls, einhergehend mit einer über 200 Meter umfassenden, südlichen Verlängerung, erfuhr der Ostwall durch den Bau des Hauptbahnhofs.

Die Harmonie der Anlage spiegelt sich auch in ihren Maßen wider. Die Längsseiten Ost- und Westwall messen etwas über einen Kilometer, die Querseiten Nord-und Südwall mit knapp 500 Metern die Hälfte. Am Nordwall setzt der ovalförmige Friedrichsplatz eine schöne Zäsur und führt über die Friedrichstraße mitten ins Zentrum. Krefelds Zentrum weist einmalige Strukturen auf, die sich trotz vieler Veränderungen bis heute erhalten haben.

Mit der Unterzeichnung einer Urkunde durch Kaiser Karl IV. am 1. Oktober 1373 in Prag wird aus dem Dorf die Stadt Krefeld. 650 Jahre ist das nun her. Anlässlich des Jubiläums blickt das Stadtarchiv in chronologischer Folge mit Geschichten und Anekdoten in die Vergangenheit. Der Blick in die Historie richtet sich nicht alleine auf den kleinen Flecken, den mittelalterlichen Siedlungskern, sondern auf das Gebiet des heutigen Krefelds. Alle Beiträge werden unter www.krefeld.de/1373 und www.krefeld650.de veröffentlicht.

Alle Beiträge aus der Artikelreihe des Krefelder Stadtarchivs zum 650-jährigen Stadtjubiläum:
Teil 8: Hildegunde von Are und das Kloster Meer
Die mittelalterliche Geschichte Krefelds ist eng mit dem Haus Meer in Meerbusch-Büderich verknüpft. Dieses Haus Meer geht auf ein mittelalterliches Kloster zurück, das von der Gräfin Hildegunde von Are im 12. Jahrhundert gegründet wurde.
Hildegunde von Are. Bild: Stadt Krefeld, Presse und Kommunikation
Teil 7: Krefelds älteste Kirche
Das heute unter dem Namen „Alte Kirche“ bekannte Gotteshaus in der Krefelder Innenstadt hat von seinem Erscheinungsbild nichts mehr mit dem ursprünglichen mittelalterlichen Kirchenbau gemeinsam. Der spätgotische Bau und sein 1497 errichteter Turm wurden aus Ziegeln gebaut.
Archivbild Alte Kirche. Bild: Stadt Krefeld, Presse und Kommunikation
Teil 6: Die Zeit der Franken
Im 5. Jahrhundert ging der Einfluss der Römer stark zurück. Nach ihnen kamen fränkische Kriegerscharen an den Niederrhein. Sie standen nicht unter einer einheitlichen Führung, sondern unter der Herrschaft von Kleinkönigen, Herzögen und anderen Adeligen.
Renate Pirling erklärt die Fundsituation am Gräberfeld in Krefeld-Gellep. Foto: Stadt Krefeld, Presse und Kommunikation
Teil 5: Das Heiligtum von Elfrath
Archäologen unter der Leitung von Dr. Christoph Reichmann, dem ehemaligen Leiter des Museums Burg Linn, brachten 1988 die heute als „Heiligtum von Elfrath“ bezeichnete Anlage zum Vorschein.
Die Grabung in Krefeld-Elfrath in den 1980er-Jahren. Foto: Stadt Krefeld, Presse und Kommunikation
Teil 4: Die Schlacht bei Gelduba
Die älteste geschlossene Siedlung im heutigen Stadtgebiet Krefeld-Gellep führt in die Römerzeit zurück. Um das Jahr 20 nach Christus legten die Römer dort einen ersten Stützpunkt in Rheinnähe namens Gelduba an.
Fundstücke im Museum Burg Linn. Foto: Stadt Krefeld, Presse und Kommunikation

Die Krefelder Rheinstraße im Jahr 1916. Bild: Stadt Krefeld, Stadtarchiv
Die Krefelder Rheinstraße im Jahr 1916.
Bild: Stadt Krefeld, Stadtarchiv

 

Informationen zur Reihe: Das Stadtarchiv blickt anlässlich des Stadtjubiläums in die Krefelder Geschichte

Prag. Freitag, 1. Oktober 1373. Mit der Unterzeichnung einer Urkunde durch Kaiser Karl IV. wird aus dem Dorf die Stadt Krefeld. 650 Jahre ist das nun her. Anlässlich des Jubiläums blickt das Stadtarchiv in chronologischer Reihenfolge mit Geschichten und Anekdoten in die Vergangenheit. „Das machen wir mit wissenswerten Beiträgen, aber auch mit humorvollen Geschichten", sagt Archivleiter Dr. Olaf Richter. Der Blick in die Historie richtet sich zwei Mal pro Woche nicht alleine auf den kleinen Flecken, den mittelalterlichen Siedlungskern, sondern auf das Gebiet des heutigen Krefelds.