Inhaltsbereich

Teil 34: Zwei Kirchen der Krefelder Innenstadt: Liebfrauenkirche und St. Stephan

Veröffentlicht am: 17.07.2023

Der 15. November 1854 verbindet zwei Kirchen der Krefelder Innenstadt auf besondere Weise. An diesem Tag wurden die Grundsteine für die Liebfrauenkirche und St. Stephan gelegt. Beide Bauten, die bis heute das Stadtbild prägen, sind im Stil der Neugotik errichtet. Diese an das Mittelalter anknüpfende Architektur folgte auf dem in Krefeld bis dahin sehr präsenten Klassizismus. Dieser zeigt sich sehr deutlich in der Struktur der vier Wälle und auch der 1840 begonnene Erweiterungsbau der Dionysiuskirche ist klassizistisch geprägt.

Ein Auslöser für die Wiederentdeckung der Gotik im 19. Jahrhundert war die Vollendung des Kölner Doms. 1842 ordnete der preußische König Friedrich Wilhelm IV. an, das Bauwerk zu vollenden. Die Rückbesinnung auf das Mittelalter mit seiner fest gefügten Ordnung passte auch in den Kontext der restaurativen Tendenzen, die sich nach den gesellschaftlichen Umwälzungen der Französischen Revolution in Europa wieder ausbreiteten. Die wiederendeckte Gotik kam in der Folge nicht nur in der sakralen, sondern auch in der profanen Architektur zur Anwendung. Am Niederrhein prägte sich der Stil jedoch vor allem bei den Pfarrkirchen aus. Diese hatten jetzt eine andere Aufgabe als die mittelalterlichen Kathedralen. Sie dienten weniger der Darstellung kirchlicher Größe, sondern wurden zum Versammlungsort der immer größer werdenden Gemeinden. Auch in Krefeld wuchs die Bevölkerung stetig, 1887 wurde der 100.000 Bürger geboren. Entsprechend großzügig bemessen sind die neu entstandenen Kirchenbauten.

Postkarte der Stephanskirche. Repro. Stadtarchiv Krefeld
Postkarte der Stephanskirche. Repro. Stadtarchiv Krefeld

Bereits in ihren Grundrissen zeigen die Liebfrauenkirche und die Stephanskirche die beiden in der Gotik geläufigen Kirchenformen, die Basilika (Liebfrauen) und die Hallenkirche (St. Stephan). Beiden gemeinsam ist der einzelne, markante Turm, der jeweils erst einige Jahre später ausgeführt wurde. Die Entwürfe für St. Stephan stammen vom Architekten Vincenz Statz (1819-1898). Er kam vom Handwerk, war gelernter Schreiner und Maurer. In der Steinmetzhütte des Kölner Doms war er als zweiter Domwerkmeister tätig. Unter seinen vielen Bauwerken ist der Dom im österreichischen Linz einer der Wichtigsten.

Die Liebfrauenkirche befindet sich an einem kleinen Platz am Nordende des Westwalls. Nähert man sich ihr über diese Straße, so bilden der Turm und ein Teil des Langhauses einen monumentalen Abschluss. Der Innenraum ist nach frühgotischen Prinzipien klar gegliedert. Besonderen Wert legte der Architekt auf präzise ausgeführte Steinmetzarbeiten und der Sichtbarkeit des gemauerten Materials. Mit der Abfolge Turm, Laienhaus, Chor folgt er einer klassischen Abfolge, verzichtet aber auf die im Mittelalter häufig seitlich angegliederten Türme. Von der ursprünglich neogotischen Ausstattung ist nicht mehr alles erhalten, vieles wurde erst nach dem Krieg, den die Kirche relativ unbeschadet überstanden hat, entfernt. Zu den schönsten Ausstattungsstücken zählen zwei Glasfenster von Johan Thorn-Prikker (1868-1932) von 1916. Sie zeigen die fünfzehn Geheimnisse des Rosenkranzes, die in verschlungenen Ornamenten dargestellt sind. Die Farben Blau, Rosa, Lila und Braun) sind eher dunkel gehalten, entfalten aber eine besondere Leuchtkraft und geheimnisvolle Aura.

Die Stephanskirche bildet den östlichen Abschluss der gleichnamigen Straße, die den Ostwall quert. Der Platz, der sie umgibt, ist etwas schmal, die Bebauung wirkt sehr dicht. Entsprechend langgestreckt und schmal fügt sich der als dreischiffige Hallenkirche entworfene Bau in die Umgebung ein. Verantwortlicher Architekt ist Friedrich von Schmidt (1825-1891), der als Schüler des Kölner Dombaumeisters Ernst Friedrich Zwirner den neogotischen Stil in seiner reinsten Form zum Merkmal seiner Architektur machte. Entsprechendes Beispiel ist das Rathaus in Wien.

St. Stephan zählt noch zu seinen Frühwerken, fast zeitgleich entwarf er auch für Bockum den Neubau von St. Gertrudis. Dieser ist ebenfalls als dreischiffige Halle konzipiert und mit einem Turm versehen. Schon 1859 fand in St. Stephan der erste Gottesdienst statt. Weitere Ausbauten der Kirche, darunter der Turm, wurden erst viel später und von anderen Architekten vorgenommen. Bezüglich des Turms kam es 1888 zu einem Prozess, da er nach kurzer Zeit bereits große Mängel aufwies. Anders als die Liebfrauenkirche erlitt St. Stephan größere Kriegsschäden, deren Beseitigung auch zu einer schlichteren Ausstattung führte. Aus der Nachkriegszeit gibt es bemerkenswerte Fenster des Glaskünstlers Josef Strater (1899-1956). Besonders eindrucksvoll ist im Chorbereich eine Verkündigungsszene, die figürlich und mit fließenden Bewegungen gestaltet ist. Hier gibt es wieder eine Verbindung zur Liebfrauenkirche. Denn auch dort schuf Strater drei Szenen des Marienlebens in Glas. Sie sind in den Farben Blau und Rot gehalten, die der Muttergottes zugeordnet werden.

Mit der Unterzeichnung einer Urkunde durch Kaiser Karl IV. am 1. Oktober 1373 in Prag wird aus dem Dorf die Stadt Krefeld. 650 Jahre ist das nun her. Anlässlich des Jubiläums blickt das Stadtarchiv in chronologischer Folge mit Geschichten und Anekdoten in die Vergangenheit. Der Blick in die Historie richtet sich nicht alleine auf den kleinen Flecken, den mittelalterlichen Siedlungskern, sondern auf das Gebiet des heutigen Krefelds. Alle Beiträge werden unter www.krefeld.de/1373 und www.krefeld650.de veröffentlicht.

Alle Beiträge aus der Artikelreihe des Krefelder Stadtarchivs zum 650-jährigen Stadtjubiläum:
Teil 47: 1915 - die erste Feuerbestattung findet in Krefeld statt
In der preußischen Zeit wurden die Friedhöfe aus der inneren Stadt verlegt. In Krefeld gab es zunächst den heutigen Stadtgarten, der aber ebenfalls bald zu klein wurde.
Das Krematorium in Krefeld. Repro: Stadtarchiv
Teil 46: Eine Kindheit in Krefeld am Vorabend des Ersten Weltkriegs
Erinnerungen des Architekten Helmut Hentrich.
Die Rheinstraße um 1916 - Ansichtspostkarte. Repro: Stadtarchiv
Teil 45: Die Geschichte des Stadtwalds
Der Stadtwald ist ein beliebtes Naherholungsgebiet. Krefeld ist bekannt für seine vielen Parkanlagen und Alleen. Die größte Grünfläche ist der Stadtwald, der nur zwei Kilometer von der Innenstadt entfernt liegt.
Partie im Stadtwald in Bockum. Repro: Stadtarchiv Krefeld
Teil 44: Im Jahr 1907 werden Bockum, Verberg und Oppum eingemeindet
Nach der Jahrhundertwende wuchs die Stadt auch flächenmäßig. Nachdem 1901 bereits Linn eingemeindet wurde, folgten 1907 mit Bockum, Verberg und Oppum drei weitere Orte.
Partie im Botanischen Garten in Krefeld. Repro: Stadtarchiv Krefeld
Teil 43: Johan Thorn Prikker und die Kunstgewerbeschule
Nach seiner kurzen Krefelder Zeit hat Thorn Prikker hier bedeutende Spuren hinterlassen. Zu den schönsten Beispielen zählen zwei Fenster in der Liebfrauenkirche.
Wandbild "Lebenszyklus" im Kaiser-Wilhelm-Museum. Foto: Stadtarchiv Krefeld

Die Krefelder Rheinstraße im Jahr 1916. Bild: Stadt Krefeld, Stadtarchiv
Die Krefelder Rheinstraße im Jahr 1916.
Bild: Stadt Krefeld, Stadtarchiv

 

Informationen zur Reihe: Das Stadtarchiv blickt anlässlich des Stadtjubiläums in die Krefelder Geschichte

Prag. Freitag, 1. Oktober 1373. Mit der Unterzeichnung einer Urkunde durch Kaiser Karl IV. wird aus dem Dorf die Stadt Krefeld. 650 Jahre ist das nun her. Anlässlich des Jubiläums blickt das Stadtarchiv in chronologischer Reihenfolge mit Geschichten und Anekdoten in die Vergangenheit. „Das machen wir mit wissenswerten Beiträgen, aber auch mit humorvollen Geschichten", sagt Archivleiter Dr. Olaf Richter. Der Blick in die Historie richtet sich zwei Mal pro Woche nicht alleine auf den kleinen Flecken, den mittelalterlichen Siedlungskern, sondern auf das Gebiet des heutigen Krefelds.