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Teil 36: 1880: Johannes Brahms in Krefeld

Veröffentlicht am: 02.08.2023

„Gewidmet den Freunden in Crefeld, herzlich dankbar Johannes Brahms, Wien 1883" steht auf dem Titelblatt einer Partitur zu lesen, die sich heute in den Beständen des Stadtarchivs befindet. Bei der Komposition handelt es sich um den „Gesang der Parzen", einer Vertonung von Versen aus Goethes Drama „Iphigenie". Brahms schrieb das Stück für sechsstimmigen Chor und Orchester. Nach einer umjubelten Aufführung in Krefeld schenkte der Komponist die Partitur dem hiesigen Singverein. Brahms und Krefeld verbindet noch mehr als dieses Ereignis. Es ist auch die Geschichte einer besonderen Freundschaft.

Die Abbildung zeigt Brahms am Flügel nach einer Zeichnung von Willy von Beckerath.
Die Abbildung zeigt Brahms am Flügel nach einer Zeichnung von Willy von Beckerath.

Johannes Brahms, geboren 1833 in Hamburg, lebte ab 1872 in Wien. Als er 1880 das erste Mal Krefeld besuchte, war er schon ein weltberühmter Komponist. Er gab hier in den folgenden Jahren nicht nur mehrere Konzerte, sondern pflegte auch intensiven Kontakt zu den Familien von Beckerath und von der Leyen. Bereits 1874 lernte der Komponist Rudolf von Beckerath in Köln im Rahmen eines Musikfestes kennen. Beckerath, der nicht nur ein großer Musikliebhaber war, sondern auch hervorragend Violine spielte, besaß ein Weingut in Rüdesheim. Er lud den Komponisten dorthin ein. Daraus entwickelte sich schnell eine Freundschaft. Gemeinsam wurde viel musiziert, auch von Beckeraths Ehefrau Laura beteiligte sich als Pianistin daran, ebenso der Neffe Rudolf von der Leyen. Im Sommer 1879 lud dieser Brahms nach Krefeld ein und schwärmte ihm von dem regen Musikleben vor, dass auch von der neuen Stadthalle profitierte. „Ich freue mich auf keine Stadt und keinen Chor so sehr wie auf den Ihren", antwortete der Meister höflich. Im Januar 1880 gab es dann den ersten Brahms-Abend in Krefeld, bei dem der Komponist als Dirigent und Pianist auftrat. Er logierte bei Rudolf von der Leyen, im Haus von Beckerath fanden gemeinsame musikalische Abende im kleineren Kreis statt. Zu den größeren und sehr erfolgreichen Konzerten zählte eine Veranstaltung der „Concert-Gesellschaft Crefeld" am 27. Januar 1885 in der Stadthalle. Angekündigt war ein „Abonnements-Concert unter der Leitung des Herrn Dr. Johannes Brahms aus Wien". Zentrales Werk des Abends war seine erst zwei Jahre zuvor uraufgeführte 3. Sinfonie, sowie Lieder und Romanzen für vierstimmigen, gemischten Chor. Über die Qualität von Chor und Orchester äußerte sich Brahms mehrfach positiv. In seinen weiteren Krefelder Konzerten dirigierte er auch seine 2. und 4. Sinfonie, das Violinkonzert und die Rhapsodie op. 53, sowie den bereits erwähnten „Gesang der Parzen".

Rudolf von Beckerath, der im selben Alter wie der Komponist war, starb bereits 1888. Doch der enge freundschaftliche Kontakt hielt bis zum Tod von Brahms an. Von Rudolfs Sohn, dem künstlerisch begabten Willy von Beckerath, gibt es eine ganze Reihe von Porträtzeichnungen des berühmten Freundes. Bereits als 15jähriger versuchte er, Brahms zu porträtieren. Dieser nahm es gelassen hin: „Da sitzt er schon wieder und will mich abzeichnen", soll er gesagt haben. Der junge Künstler entwickelte sich später zum Monumentalmaler. So schuf er für die Aula der Kunstgewerbeschule in Hamburg (heute Hochschule der Bildenden Künste) eine 44 Meter breite und vier Meter hohe Wandmalerei „Die Welle". Nach einer langen Phase der Übermalung ist sie seit 2013 wieder zu sehen. Brahms, der in seiner Wahlheimat Wien als hoch verehrte Persönlichkeit 1897 starb, hatte Krefeld ein wunderbares Kompliment gemacht: in keiner anderen Stadt sei ihm ein so angenehmes Musizieren möglich gewesen.

Mit der Unterzeichnung einer Urkunde durch Kaiser Karl IV. am 1. Oktober 1373 in Prag wird aus dem Dorf die Stadt Krefeld. 650 Jahre ist das nun her. Anlässlich des Jubiläums blickt das Stadtarchiv in chronologischer Folge mit Geschichten und Anekdoten in die Vergangenheit. Der Blick in die Historie richtet sich nicht alleine auf den kleinen Flecken, den mittelalterlichen Siedlungskern, sondern auf das Gebiet des heutigen Krefelds. Alle Beiträge werden unter www.krefeld.de/1373 und www.krefeld650.de veröffentlicht.

Alle Beiträge aus der Artikelreihe des Krefelder Stadtarchivs zum 650-jährigen Stadtjubiläum:
Teil 17: Die ersten Mennoniten kommen nach Krefeld
Zu den ältesten Krefelder Mennoniten zählt die Familie op den Graeff.
Innenraum der Mennonitenkirche in Krefeld. Foto: Stadtarchiv
Teil 16: Die letzte Gräfin von Moers und der Übergang zur Oranier-Herrschaft in Krefeld
Im Mai 1600 starb die letzte Gräfin von Moers und für Krefeld brach ein neues, von den Oraniern geprägtes Zeitalter an.
Moritz von Oranien. Foto: Szadtarchiv Krefeld
Teil 15: „Ich will euch dieses Teufels quitt machen..."
Pfarrer Johannes Schue und die Auswirkungen der Reformation in Krefeld.
Stich von der Innenstadt um 1800.
Teil 14: 16. Jahrhundert - Die Grafen Wilhelm und Hermann von Neuenahr
Moers und die ersten reformatorischen Ansätze in Krefeld.
Graf Wilhelm von Neuenahr-Moers
Teil 13: 1472 - der Turm der Alten Kirche wird errichtet
Die Alte Kirche wurde bereits erwähnt. Im Herzen der Innenstadt gelegen, verweist ihr Name auf ihre historische Bedeutung als Krefelds ältestes Gotteshaus.
Alte Kirche in der Krefelder Innenstadt um 1930. Foto: Stadtarchiv Krefeld

Die Krefelder Rheinstraße im Jahr 1916. Bild: Stadt Krefeld, Stadtarchiv
Die Krefelder Rheinstraße im Jahr 1916.
Bild: Stadt Krefeld, Stadtarchiv

 

Informationen zur Reihe: Das Stadtarchiv blickt anlässlich des Stadtjubiläums in die Krefelder Geschichte

Prag. Freitag, 1. Oktober 1373. Mit der Unterzeichnung einer Urkunde durch Kaiser Karl IV. wird aus dem Dorf die Stadt Krefeld. 650 Jahre ist das nun her. Anlässlich des Jubiläums blickt das Stadtarchiv in chronologischer Reihenfolge mit Geschichten und Anekdoten in die Vergangenheit. „Das machen wir mit wissenswerten Beiträgen, aber auch mit humorvollen Geschichten", sagt Archivleiter Dr. Olaf Richter. Der Blick in die Historie richtet sich zwei Mal pro Woche nicht alleine auf den kleinen Flecken, den mittelalterlichen Siedlungskern, sondern auf das Gebiet des heutigen Krefelds.