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Teil 40: Fiktiver Spaziergang durch die Stadt um 1900

Veröffentlicht am: 28.08.2023

Der historische Bismarckplatz. Bild: Stadt Krefeld, Stadtarchiv
Historische Ansicht des Bismarckplatzes. Bild: Stadt Krefeld, Stadtarchiv Krefeld

Die fiktive Geschichte von Gustav Schmidt

Krefeld um 1900. Ein Mann spaziert an einem milden Septembertag durch seine Stadt. Er heißt Gustav Schmidt und ist im Krefelder Adressbuch auf der Marktstraße 71 als Musiker gemeldet. Er verlässt seine Wohnung an der Marktstraße und geht Richtung Westwall. Dort sieht er das neue Kaiser Wilhelm Museum. Die Figur des geflügelten Genius der Kunst grüßt vom Dach herunter. Seitdem das große Gebäude auf dem Karlsplatz steht, gibt es hier aus Platzgründen keinen Jahrmarkt oder kirchliche Feste mehr. Gustavs Weg führt weiter zum Neumarkt. Dort haben die Obst-und Gemüsebauern ihren Platz. Regelmäßig zockelt hier auch die Pferdeeisenbahn vorbei. Gustav geht weiter nach Süden die Neusser Straße entlang. Er wirft einen Blick in das Schaufenster der Musikalienhandlung Otto Kreyer und passiert das prächtige Stadtbad. Bis hier reicht der Stau von Fuhrwerken, die sich vor der Bahnschranke sammeln. Es geht sehr laut zu und Gustav fällt auf, dass die Fuhrwerke teilweise schwere Bauelemente für das neue Stahlwerk geladen haben, das an der Tackheide entstehen soll. Er überlegt, ob er eine Fahrt mit der neuen „Elektrischen" machen soll, die von der Saumstraße in Richtung Fischeln fährt. Doch er wendet sich lieber wieder dem als prächtigen Boulevard gestalteten Ostwall zu. Dabei passiert er den Bahnhofstunnel, der zu dem zwischen den Gleisen gelegenen alten Bahnhof führt. Das neue Bahnhofsgebäude wird erst in einigen Jahren entstehen.

Bremerhafen mit Radrennbahn und Gondelteich

Auf dem Ostwall spaziert der Musiker bis zur Rheinstraße. Von hier fährt die elektrische Rheinbahn bis nach Düsseldorf. Gustav läuft an der schönen Fassade des Stadttheaters, wo er gerne im Orchester spielen würde, vorbei in Richtung Uerdingen. Auf Höhe der Grenzstraße kommt er zu dem beliebten Freizeitgelände „Bremerhafen" mit Radrennbahn und Gondelteich. Er überlegt, von hier aus weiter in den Stadtwald zu gehen. Dabei erinnert er sich, dass dieser erst im Jahr 1901 für die Bevölkerung freigegeben werden soll.

Rund um den Bismarckplatz ist es noch wenig bebaut

Gustav geht daher in westlicher Richtung wieder zurück. Er kommt an dem erst 1890 fertig gestalteten Bismarckplatz vorbei. Das Denkmal des Fürsten und Reichskanzler vom bekannten Bildhauer Gustav Eberlein bildet das Zentrum des Platzes. Schräg gegenüber steht das repräsentative Kreishaus oder „Ständehaus" als Sitz für den Landrat. Ansonsten ist die Umgebung noch wenig bebaut, das hübsche Villenviertel wird erst in den nächsten Jahren entstehen. Der Weg führt an der Cracauer Straße entlang weiter Richtung Innenstadt. Im Vorbeigehen bewundert der Spaziergänger das vornehme Haus Leyental. Am Ostwall Ecke Bleichpfad kommt er am Haus der Gesellschaft „Verein" vorbei. Angeblich soll auf der anderen Seite des Ostwalls bald ein prächtiges Hotel entstehen.

Wasserturm und die Weite des Kempener Feldes

Gustav läuft weiter Richtung Nordwall und passiert dort das Kaiserliche Hauptpostamt mit seiner prächtigen Kuppel. Am Friedrichsplatz grüßt ihn das für seinen Geschmack etwas zu monumentale Denkmal der Germania. Auf der Höhe des Stadtgartens, der inzwischen von einem Friedhof in eine hübsche Parkanlage mit Kurhaus umgestaltet worden ist, sieht er das Amtsgerichtsgebäude. In wenigen Jahren wird direkt daneben der repräsentative Bau des Landgerichts entstehen. Nicht weit dahinter erkennt er den Wasserturm und die Weite des Kempener Feldes.

Prächtige Markthalle an der Friedrichstraße

Über die St. Anton-Straße läuft Gustav wieder zur zurück bis zur Friedrichstraße. Hier ist erst vor wenigen Tagen eine prächtige Markthalle eröffnet worden, die über die Grenzen der Stadt hinaus bewundert wird. In den nächsten Jahren werden sich in ihrer Nachbarschaft noch große Kaufhäuser ansiedeln. An der Kreuzung Rheinstraße wirft der Musiker einen Blick auf den neuen Turm der Dionysiuskirche. Der Weg über den Schwanenmarkt führt ihn an der Alten Kirche mit ihrem markanten Turm aus dem 15. Jahrhundert vorbei. Bevor er von dem langen Ausflug in seine Wohnung zurückkehrt, stärkt sich Gustav Schmidt noch in „Krefelds schönstem und größten Bierlokal", der Restauration A. Huppertz, auf dem Neumarkt.

Alle Beiträge werden unter www.krefeld.de/1373 und www.krefeld650.de veröffentlicht.

Alle Beiträge aus der Artikelreihe des Krefelder Stadtarchivs zum 650-jährigen Stadtjubiläum:
Teil 53: Krefeld ist nur noch ein Trümmerhaufen - die Zerstörung Krefelds im Juni 1943
Abgeworfen wurden rund 2100 Tonnen von Minen-, Spreng-, Stabbrand- und Phosphorbrandbomben, viele davon fielen auch ins Hülser Bruch und Kempener Feld.
Blick vom Turm der Dionysiuskirche Richtung Westen. Foto: Stadtarchiv
Teil 52: 9./10. November 1938 Die Synagoge wird zerstört
In der Nacht vom 9. zum 10. November 1938 brach der Terror mit unglaublicher Wucht über die jüdische Bevölkerung herein.
Stadtplan Krefeld. Repro: Stadtarchiv
Teil 51: 1928-30 die Häuser Lange und Esters entstehen
Die beiden nebeneinander gelegenen Villen für die Direktoren der Vereinigten Seidenwebereien (Verseidag) Hermann Lange und Josef Esters entstanden in den Jahren 1928 bis 1930.
Haus Esters. Archivfoto: Volker Döhne
Teil 50: 1923 - die Separatistenunruhen in Krefeld
Um die 350 Krefelder sollen in den zwei Wochen der separatistischen Herrschaft aktiv gewesen sein.
Nach dem Kampf der Separatisten um das Rathaus. Repro: Stadtarchiv
Teil 49: 1922 - Gründung einer literarischen Gesellschaft
Die Literarische Gesellschaft gründete sich am 27. Februar 1922 als Unterabteilung des Sprachvereins. Das Programm war ambitioniert, mindesten einmal im Monat fand ein Vortrag statt.
Das Ricarda-Huch-Gymnasium. Repro: Stadtarchiv

Die Krefelder Rheinstraße im Jahr 1916. Bild: Stadt Krefeld, Stadtarchiv
Die Krefelder Rheinstraße im Jahr 1916.
Bild: Stadt Krefeld, Stadtarchiv

 

Informationen zur Reihe: Das Stadtarchiv blickt anlässlich des Stadtjubiläums in die Krefelder Geschichte

Prag. Freitag, 1. Oktober 1373. Mit der Unterzeichnung einer Urkunde durch Kaiser Karl IV. wird aus dem Dorf die Stadt Krefeld. 650 Jahre ist das nun her. Anlässlich des Jubiläums blickt das Stadtarchiv in chronologischer Reihenfolge mit Geschichten und Anekdoten in die Vergangenheit. „Das machen wir mit wissenswerten Beiträgen, aber auch mit humorvollen Geschichten", sagt Archivleiter Dr. Olaf Richter. Der Blick in die Historie richtet sich zwei Mal pro Woche nicht alleine auf den kleinen Flecken, den mittelalterlichen Siedlungskern, sondern auf das Gebiet des heutigen Krefelds.