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Teil 41: Die Uraufführung der 3. Sinfonie von Gustav Mahler im Juni 1902

Veröffentlicht am: 06.09.2023

Musikdirektor Theodor Müller-Reuter mit Chor und Orchester in der Stadthalle im Rahmen des 38. Tonkünstlerfests im Juni 1902. Bild: Stadt Krefeld, Stadtarchiv
Musikdirektor Theodor Müller-Reuter mit Chor und Orchester in der Stadthalle im Rahmen des 38. Tonkünstlerfests im Juni 1902.
Bild: Stadt Krefeld, Stadtarchiv

38. Tonkünstlerversammlung des Allgemeinen Deutschen Musikvereins

Der 9. Juni 1902 ist ein Montag. Seit drei Tagen findet in Krefeld die 38. Tonkünstlerversammlung des Allgemeinen Deutschen Musikvereins statt. Dass dieses bedeutende musikhistorische Ereignis in Krefeld veranstaltet werden konnte, war dem Engagement des Städtischen Musikdirektors Theodor Müller-Reuter zu verdanken. Die Tonkünstlerversammlung förderte die zeitgenössische Musik und wollte ihre wichtigsten Vertreter zusammenbringen. So kam es damals in Krefeld zu einem Zusammentreffen der Komponisten Engelbert Humperdinck, Richard Strauss, Hans Pfitzner und Gustav Mahler.

Höhepunkt in der prächtigen Stadthalle an der St. Anton-Straße

Am Abend des 9. Juni steuert das überregional beachtetet Ereignis seinem Höhepunkt entgegen. In der prächtigen Stadthalle an der St. Anton-Straße findet das vierte Konzert statt. Auf dem Programm steht die Sinfonie Nr. 3 d-moll für großes Orchester, Alt-Solo, Frauen- und Knabenchor von Gustav Mahler. Am Dirigentenpult steht der Komponist selbst.

Er war aus Wien angereist, wo er damals die kaiserlich-königliche Hofoper leitete. Seine junge Frau Alma, die er erst vor wenigen Wochen geheiratet hatte, begleitete ihn. Für die mondäne Wienerin war die niederrheinische Stadt ein „Nest". In ihren Erinnerungen äußerte sie sich entsprechend negativ: „Ein Trubel von Musikern und Kritikern stürzte sich auf uns, wo wir gingen und standen, es gab kein Entrinnen. Wir fühlten uns in unserer Bewegungsfreiheit sehr behindert und verfluchten ein Nest, in dem es keine Hotels gab und man also gezwungen war, Gastfreundschaft anzunehmen, die nicht aus Liebe kam, sondern dem Zwang eines Komitees zu danken war - wir wohnten bei reichen Seidenfabrikanten, die durch unsere Anwesenheit sichtlich gestört waren. Sie hatten uns ihr Eheschlafgemach angewiesen, in dem wir uns kaum umzudrehen wagten, aus Angst irgendein schauerliches Nippesstück von seinem ebenso schauerlichen Standort hinunterzuwerfen. Hinter Glas moderten alte Myrtenkränze."

Vier Jahre arbeitete Gustav Mahler an der Sinfonie

Ob Gustav Mahler die Situation auch so empfunden hat? Immerhin hatte er in Krefeld die Gelegenheit, seine über einen längeren Zeitraum entstandene, sehr umfangreiche Sinfonie, als Ganzes zur Aufführung zu bringen.

Vier Jahre hatte er daran gearbeitet, die wesentlichen Passagen entstanden während der Sommeraufenthalte 1895/96 am österreichischen Attersee. Dort hatte der extrem lärmempfindliche Komponist sich direkt am Seeufer ein kleines Komponierhäuschen errichten lassen, in dem kaum mehr als ein Flügel Platz hatte. Seit 1985 ist hier eine Mahler-Gedenkstätte eingerichtet. Unter den ausgestellten Dokumenten befindet sich auch der Programmzettel der Krefelder Urrauführung.

Umgeben von einer wunderbaren Landschaft, schrieb Mahler am Attersee ein Werk, in dem laut seiner Aussage „die ganze Natur eine Stimme" bekommen sollte. Er wollte damit musikalisch den Schöpfungsakt nachvollziehen. Die Sinfonie besteht aus zwei Abteilungen. Die erste enthält den mit einer Dauer von 45 Minuten ungewöhnlich langen ersten Satz mit der Anweisung „Kräftig, entschieden". Die zweite Abteilung umfasst die Sätze zwei bis sechs. Während im vierten Satz das geheimnisvolle Alt-Solo „O Mensch! gib Acht!" zu einem Text von Friedrich Nietzsche erklingt, ist der Chorgesang im fünften Satz der Liedsammlung „Des Knaben Wunderhorn" entnommen. Der Schlusssatz hat die Bezeichnungen „Langsam, Ruhevoll. Empfunden" und zählt für viele zu Mahlers schönsten Kompositionen. Mit einer Dauer von 100 Minuten ist es auch seine längste Sinfonie.

"Bedeutendes Kunstwerk im vollsten Sinne des Wortes"

Entsprechend aufwendig war die Uraufführung allein von der Besetzung. Im Chor sangen 114 Sopran, 111 Alt, 76 Tenor und 90 Bassstimmen. Für das Alt-Solo war die Sängerin Louise Geller-Wolter war aus Berlin engagiert worden. Die Aufführung wurde für den Komponisten zu einem Triumph. Wieder erinnert sich Alma Mahler: „Nach dem ersten Satz brach ein ungeheurer Jubel aus.... Und nach jedem Satz schienen die Zuhörer mehr ergriffen, ja, nach dem letzten packte ein wahrer Taumel das Publikum..."

Auch die Presse lobte das Konzert in den höchsten Tönen. So schrieb der Generalanzeiger: „Gustav Mahlers 3. Symphonie ist ein bedeutendes Kunstwerk im vollsten Sinne des Wortes. Daß diese Meinung eine ungetheilte war, erwies sich in dem geradezu stürmischen Applaus, der dem gottbegnadeten Künstler in überreichem Maße geboten wurde. An diese Aufführung werden alle Musikkenner und Musikfreunde noch lange mit Entzücken zurückdenken."
Zwei Jahre nach dem Krefelder Triumph wurde die Sinfonie erstmals in Wien gespielt. Heute zählt sie zu den beliebtesten Musikstücken und erklingt in den Konzertsälen weltweit. Im Jahr des Stadtjubiläums wird das Werk nach langer Zeit auch wieder in Krefeld zu hören sein. Das Konzert mit den Niederrheinischen Sinfonikern unter ihrem Generalmusikdirektor Mihkel Kütson findet am 24. und 27. Oktober im Seidenweberhaus statt.

Alle Beiträge werden unter www.krefeld.de/1373 und www.krefeld650.de veröffentlicht.

Alle Beiträge aus der Artikelreihe des Krefelder Stadtarchivs zum 650-jährigen Stadtjubiläum:
Teil 33: Die Malerin Caroline Bardua besucht mit ihrer Schwester zum ersten Mal Krefeld
Caroline und Wilhelmine Bardua stammten aus dem Harz und wuchsen in der kleinen Residenzstadt Ballenstedt auf.
Kinder der Familie von der Leyen von Caroline Bardua. Repro: Stadtarchiv Krefeld
Teil 32: Der Vagedes-Plan
Einbindung des bisherigen Stadtkerns in das rechteckige Geviert der Wälle.
Vagedes-Plan. Repro. Stadtarchiv Krefeld
Teil 31: Das alte Stadttheater an der Rheinstraße
Viele Theaterbauten gehen auf die Initiative von Adeligen zurück. In Krefeld, das ja nie ein Fürstensitz war, ist auch die Begeisterung für die Bühne auf bürgerschaftliches Engagement zurückzuführen.
Altes Stadttheater an der Rheinstraße. Repro: Stadtarchiv
Teil 30: Entstehung des Stadtgartens
Mit seinem schönen Baumbestand und dem zentral gelegenen Musikpavillon lädt er zu Spaziergängen ein.
Krefelder Stadtgarten um 1902. Repro: Stadtarchiv

Die Krefelder Rheinstraße im Jahr 1916. Bild: Stadt Krefeld, Stadtarchiv
Die Krefelder Rheinstraße im Jahr 1916.
Bild: Stadt Krefeld, Stadtarchiv

 

Informationen zur Reihe: Das Stadtarchiv blickt anlässlich des Stadtjubiläums in die Krefelder Geschichte

Prag. Freitag, 1. Oktober 1373. Mit der Unterzeichnung einer Urkunde durch Kaiser Karl IV. wird aus dem Dorf die Stadt Krefeld. 650 Jahre ist das nun her. Anlässlich des Jubiläums blickt das Stadtarchiv in chronologischer Reihenfolge mit Geschichten und Anekdoten in die Vergangenheit. „Das machen wir mit wissenswerten Beiträgen, aber auch mit humorvollen Geschichten", sagt Archivleiter Dr. Olaf Richter. Der Blick in die Historie richtet sich zwei Mal pro Woche nicht alleine auf den kleinen Flecken, den mittelalterlichen Siedlungskern, sondern auf das Gebiet des heutigen Krefelds.