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Teil 43: Johan Thorn Prikker und die Kunstgewerbeschule

Veröffentlicht am: 20.09.2023

Wenige Jahre nach Eröffnung des Kaiser-Wilhelm-Museums entstand zu Beginn des 20. Jahrhunderts in Krefeld eine Handwerker-und Kunstgewerbeschule. Voraussetzungen dafür waren der Bedarf, den vielen technischen Neuerungen auch eine entsprechende Form zu geben. Im Zeitalter des Jugendstils ging es auch um die Begriffe der Materialechtheit, Werkgerechtigkeit und Zweckmäßigkeit, die auch die Grundlagen für das Programm einer solchen Institution bildeten. Neben Bürgern, die sich schon im 1860 gegründeten „Crefelder Handwerker-und Bildungsverein" engagierten, zählte auch Museumsdirektor Friedrich Deneken zu den Befürwortern einer Kunstgewerbeschule.

Gründung und Schwerpunkte der Ausbildung

1902 entschloss sich die Stadt zur Gründung, bereits ein Jahr später wurde in der Innenstadt an der Ecke Petersstraße/Neue Linner Straße ein Bau im Stil der Frührenaissance errichtet. Bereits die erste Ausstellung 1904 hatte den programmatischen Titel „Linie und Form". In den Grundsätzen der Schule hieß es: „Die Werkstätten sollen die Verbindung des Handwerks und der Technik Der erste Leiter war der Architekt Carl Wolbrandt. Der Schwerpunkt lag auf dem Bauhandwerk und damit der Ausbildung junger Handwerker in der Architektur. Neben Klassen für Raumkunst und Tischlerei gab es auch Klassen für Wandmalerei, Buchkunst und Grafik, sowie Gold- und Silberschmiede, später auch Keramik, Mosaik und Glasmalerei. Fast alle Lehrenden dieser Schule, darunter auch der bekannte Architekt August Biebricher, gründeten 1907 den Deutschen Werkbund mit. Die Schule beteiligte sich an der großen Werkbundausstellung 1914 in Köln.

Aus der Kunstgewerbeschule wird die Werkkunstschule

In den 1920er Jahren kamen auch Schüler aus Belgien, den Niederlanden, der Schweiz und Russland an die Schule nach Krefeld. Nach dem Krieg wurde der Betrieb wiederaufgenommen, ab 1949 unter dem neuen Namen „Werkkunstschule". Zu den über Krefeld hinaus sehr bekannten Klassen zählte die von Gustav Fünders geleitete Klasse für Glasmalerei und Mosaikgestaltung. Aus ihr gingen Künstler wie August Pigulla, Hubert Spierling und Joachim Klos hervor. 1971 ging die Werkkunstschule als Fachbereich Design in der neu gegründeten Fachhochschule Niederrhein auf. Die Architekturabteilung wurde dabei jedoch an die Fachhochschule Düsseldorf abgegeben.

Thorn Prikker als Lehrer in Krefeld

Wieder durch Vermittlung von Friedrich Deneken war es bereits im Gründungsjahr der Kunstgewerbeschule gelungen, den berühmten Künstler Johan Thorn Prikker (1868-1932) als Lehrer nach Krefeld zu holen. Der von Symbolismus und Jugendstil beeinflusste Niederländer gilt neben monumentalen Bildfindungen auch als Wegbereiter der modernen Glaskunst. Angeregt von Henry van de Velde beschäftigte er sich auch intensiv mit der sogenannten „angewandten Kunst". Bereits 1903 hatte er für die „Holländische Kunstausstellung" im Kaiser Wilhelm Museum das Plakat entworfen. Von 1904 bis 1910 leitete er dann in Krefeld eine Klasse für dekorative Malerei. Er unterrichtete auch in den Bereichen Naturstudien und Lithografie. Als charismatischer Lehrer war er sehr beliebt und regte seine Schüler, darunter Heinrich Campendonk, an, nicht nur die historische Kunst nachzuahmen, sondern darüber hinaus ihren eigenen, modernen Stil zu finden. Von Krefeld ging er nach Hagen, später nach Essen, München, Düsseldorf und Köln.

Wandbild "Lebenszyklus" im Kaiser-Wilhelm-Museum. Foto: Stadtarchiv Krefeld
Wandbild "Lebenszyklus" im Kaiser-Wilhelm-Museum. Foto: Stadtarchiv Krefeld

Thorn Prikker hat in Krefeld bedeutende künstlerische Spuren hinterlassen

Nach seiner kurzen Krefelder Zeit hat Thorn Prikker hier bedeutende Spuren hinterlassen. Zu den schönsten Beispielen zählen zwei Fenster in der Liebfrauenkirche. Thema der farbenprächtigen, mit Betonung der Linien gestalteten Fenster sind die „Geheimnisse des Rosenkranzes". 1923 entstand der monumentale Wandbilderzyklus „Die Lebensalter", der seit der Wiedereröffnung des Kaiser Wilhelm Museums 2016 wieder an seinem alten Platz, dem jetzigen Thorn-Prikker-Saal, zu sehen ist. Dargestellt wird der Lauf des Lebens: "Kindheit", "Jugendalter", "Mannesalter" und "Reifes Alter". 1936, vier Jahre nach dem Tod Thorn Prikkers, waren die Bilder hinter einer Wand verschwunden, wurden 1949 anlässlich einer Thorn-Prikker-Gedächtnisausstellung wieder freigelegt, um dann 1976 für 40 Jahre erneut zu verschwinden. Auch drei große Symbolfenster, die der Künstler für die alte, 1938 zerstörte Synagoge entworfen hatte, haben heute in dem Neubau der Synagoge auf der Wiedstraße wieder ihren Platz gefunden. Die alten Kartonvorlagen hatten sich glücklicherweise im Bestand des Kaiser Wilhelm Museums erhalten. Noch auf andere Weise hat Krefeld viele Jahre die Erinnerung an den außergewöhnlichen Künstler bewahrt. 1949 stiftete sie mit der Thorn-Prikker-Medaille eine Auszeichnung für Künstler aus dem niederrheinischen Raum. Zu den Preisträgern gehören Ewald Mataré, Fritz Huhnen, Joseph Beuys und Hans Joachim Albrecht.

Die Anfänge Krefelds reichen in die Römerzeit zurück, doch entscheidend für die Stadtgeschichte ist das Jahr 1373. In einer am 1. Oktober 1373 ausgestellten Urkunde ermächtigt Kaiser Karl IV. den Grafen Friedrich II. von Moers, das bisherige Dorf Krefeld zwischen den Städten Linn und Kempen zu einer befestigten Stadt zu erheben. Anlässlich des 650. Jubiläums blickt das Stadtarchiv in chronologischer Folge mit Geschichten und Anekdoten in die Vergangenheit. Der Blick in die Historie richtet sich nicht alleine auf den kleinen Flecken, den mittelalterlichen Siedlungskern, sondern auf das Gebiet des heutigen Krefelds. Alle Beiträge werden unter www.krefeld.de/1373 und www.krefeld650.de veröffentlicht.

Alle Beiträge aus der Artikelreihe des Krefelder Stadtarchivs zum 650-jährigen Stadtjubiläum:
Teil 22: Die zweite und dritte Stadterweiterung im 18. Jahrhundert
Zu Beginn des 18. Jahrhunderts gerät Krefeld ohne kriegerische Auseinandersetzungen unter preußische Herrschaft. Die Stadt wird zum Verwaltungsort für die gesamte Grafschaft und dadurch steigt auch die wirtschaftliche Kraft.
Historischer Stadtplan Krefelds. Bild: Stadt Krefeld, Presse und Kommunikation, Stadtarchiv Krefeld
Teil 21: 1692 erste Stadtplanerweiterung gegen Osten
Die erste neuzeitliche Erweiterung begann 1678. Im Juli reiste ein vom oranischen Landesherren Prinz Wilhelm bestellter Kommissar Philipp Theodor Toll durch die Grafschaft Moers und kam auch nach Krefeld.
Krefeld vor der ersten Erweiterung. Quelle: Stadtarchiv Krefeld
Teil 20: 1683 - 13 Krefelder Familien wandern nach Amerika aus.
Die Familien gehörten überwiegend der religiösen Gemeinschaft der Quäker an, die ab 1678 in Krefeld auf sich aufmerksam machten und von England über die Niederlande an den Niederrhein kamen.
Ausschnitt der US-amerikanischen Briefmarke in Erinnerung an die deutschen Auswanderer 1683. Foto: Stadtarchiv
Teil 19: 1659 - die erste bekannte Ansicht der Stadt
Wie Krefeld 1373 zur Zeit der Stadterhebung ausgesehen hat, ist nicht bekannt. Erst knapp 300 Jahre später ist eine Zeichnung entstanden, die als erste Abbildung unserer Stadt gilt.
1659 - die erste bekannte Ansicht der Stadt
Teil 18: 17. Januar 1642 - Schlacht auf der Hückelsmay
Auf beiden Seiten kämpften über 9000 Mann. Die kaiserliche Armeee erlitt eine Niederlage, 5000 gerieten in Gefangenschaft, unter ihnen auch Lamboy. Rund 3000 Soldaten sollen gefallen sein.
Schlacht an der Hückelsmay 1642. Quelle. Stadtarchiv Krefeld

Die Krefelder Rheinstraße im Jahr 1916. Bild: Stadt Krefeld, Stadtarchiv
Die Krefelder Rheinstraße im Jahr 1916.
Bild: Stadt Krefeld, Stadtarchiv

 

Informationen zur Reihe: Das Stadtarchiv blickt anlässlich des Stadtjubiläums in die Krefelder Geschichte

Prag. Freitag, 1. Oktober 1373. Mit der Unterzeichnung einer Urkunde durch Kaiser Karl IV. wird aus dem Dorf die Stadt Krefeld. 650 Jahre ist das nun her. Anlässlich des Jubiläums blickt das Stadtarchiv in chronologischer Reihenfolge mit Geschichten und Anekdoten in die Vergangenheit. „Das machen wir mit wissenswerten Beiträgen, aber auch mit humorvollen Geschichten", sagt Archivleiter Dr. Olaf Richter. Der Blick in die Historie richtet sich zwei Mal pro Woche nicht alleine auf den kleinen Flecken, den mittelalterlichen Siedlungskern, sondern auf das Gebiet des heutigen Krefelds.