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Teil 49: 1922 - Gründung einer literarischen Gesellschaft

Veröffentlicht am: 31.10.2023

Was haben Thomas Mann, Gerhart Hauptmann und Franz Werfel gemeinsam? Sie gehören nicht nur zu den berühmtesten Literaten des 20. Jahrhunderts, sondern sind auch alle in Krefeld gewesen. Möglich gemacht hat das die 1922 gegründete Literarische Gesellschaft, die Krefeld für wenige Jahre zu einem Zentrum für zeitgenössische Literatur machte. Wie so oft, hing der Erfolg von einzelnen Personen ab. In diesem Fall war es Oberstudiendirektor Wilhelm Poethen (1886 -1966), Leiter der damaligen Oberrealschule (später Fichte-Gymnasium). Er wurde der erste Vorsitzende der Literarischen Gesellschaft, deren Gründung vom Redakteur der Niederrheinischen Volkszeitung Karl Bode bereits 1920 angeregt worden war. Hintergrund war, dass es für Autoren, die auf Vortrags-und Lesereisen unterwegs waren, in Krefeld keine Ansprechpartner gab. Dessen ungeachtet gab es in der Stadt ein lebendiges kulturelles Leben. 1919 war die Volkshochschule gegründet worden, die sich auch mit literarischen Themen beschäftigte. Der Allgemeine Deutsche Sprachverein hatte ebenfalls einen Krefelder Ableger, der gemeinsam mit dem Stadttheater die sogenannten „Morgenfeiern" veranstaltete.

Das Ricarda-Huch-Gymnasium. Repro: Stadtarchiv
Das Ricarda-Huch-Gymnasium. Repro: Stadtarchiv

Die Literarische Gesellschaft gründete sich am 27. Februar 1922 als Unterabteilung des Sprachvereins. Das Programm war ambitioniert, mindesten einmal im Monat fand ein Vortrag statt. Neben zeitgenössischen Dichtern waren auch immer wieder Universitätsprofessoren zu Gast. So gab es im Herbst und Winter 1925/26 folgende Veranstaltungen: im Oktober sprach der Heidelberger Literaturprofessor Friedrich Gundolf über Georg Büchner, im November las Franz Werfel aus seinen eigenen Dichtungen. Im Januar hielt Stefan Zweig, der damals zu den meistgelesenen deutschsprachigen Autoren zählte, einen Vortrag über Goethe und Hölderlin. Unter der Rubrik „Außerordentliche Veranstaltungen" war ebenfalls für Januar 1926 Thomas Mann mit dem Thema „Natur und Nation" angekündigt. Dazu hieß es: „Der Dichter der „Buddenbrooks" und des „Zauberberg" braucht kein Wort der Empfehlung." Mit dem Kauf einer Mitgliedskarte für zwei Mark erwarb man die Mitgliedschaft. Es gab auch Dauerkarten für alle acht Veranstaltungen einer Saison. Die „Darbietungen", wie es im Programm hieß, fanden im Festsaal des Lyzeums an der Moerser Straße statt (heute Ricarda-Huch-Gymnasium).

In seinen später veröffentlichten Erinnerungen, schildert Wilhelm Poethen auch amüsante Details rund um die Veranstaltungen. So erinnert er sich an Gerhart Hauptmann, der vor seinem Auftritt seine Erscheinung im Spiegel überprüfte und sich freute, wem man ihn auf seine Ähnlichkeit mit Goethe ansprach. Er las aus seinem damals noch nicht veröffentlichten Manuskript „Till Eulenspiegel" vor. Hermann Graf Keyserling ließ sich von seinen vor allem weiblichen Anhängerinnen umschwärmen. Thomas Mann sei kein zündender Redner gewesen, aber er fesselte durch seinen Stil und sein vornehmes Auftreten.

„Freiheit und Vornehmheit" war auch der Titel eines weiteren Vortags, mit dem der spätere Nobelpreisträger auch im Dezember 1927 zu Gast war. Dass Poethen Autoren wie Thomas Mann eingeladen hatte, wurde im Jahre später fast zum Verhängnis. Mit der nationalsozialistischen Diktatur hatte sich in den 1930er Jahren auch schlagartig das geistig-kulturelle Klima verändert. Dem Oberstudienrat, der 1937 in eine geringere Position an das Realgymnasium in Münster versetzt worden war, wurde vorgeworfen, eine Reihe von „missliebigen" und jüdischen Autoren nach Krefeld geholt zu haben. Bereits 1938 verliert sich die Spur der Literarischen Gesellschaft, ihr genaues Ende lässt sich nicht feststellen. Doch für einige Jahre hatte sie für ein hohes literarisches Niveau in der Stadt gesorgt.

Mit der Unterzeichnung einer Urkunde durch Kaiser Karl IV. am 1. Oktober 1373 in Prag wird aus dem Dorf die Stadt Krefeld. 650 Jahre ist das nun her. Anlässlich des Jubiläums blickt das Stadtarchiv in chronologischer Folge mit Geschichten und Anekdoten in die Vergangenheit. Der Blick in die Historie richtet sich nicht alleine auf den kleinen Flecken, den mittelalterlichen Siedlungskern, sondern auf das Gebiet des heutigen Krefelds. Alle Beiträge werden unter www.krefeld.de/1373 und www.krefeld650.de veröffentlicht.

 

Alle Beiträge aus der Artikelreihe des Krefelder Stadtarchivs zum 650-jährigen Stadtjubiläum:
Teil 33: Die Malerin Caroline Bardua besucht mit ihrer Schwester zum ersten Mal Krefeld
Caroline und Wilhelmine Bardua stammten aus dem Harz und wuchsen in der kleinen Residenzstadt Ballenstedt auf.
Kinder der Familie von der Leyen von Caroline Bardua. Repro: Stadtarchiv Krefeld
Teil 32: Der Vagedes-Plan
Einbindung des bisherigen Stadtkerns in das rechteckige Geviert der Wälle.
Vagedes-Plan. Repro. Stadtarchiv Krefeld
Teil 31: Das alte Stadttheater an der Rheinstraße
Viele Theaterbauten gehen auf die Initiative von Adeligen zurück. In Krefeld, das ja nie ein Fürstensitz war, ist auch die Begeisterung für die Bühne auf bürgerschaftliches Engagement zurückzuführen.
Altes Stadttheater an der Rheinstraße. Repro: Stadtarchiv
Teil 30: Entstehung des Stadtgartens
Mit seinem schönen Baumbestand und dem zentral gelegenen Musikpavillon lädt er zu Spaziergängen ein.
Krefelder Stadtgarten um 1902. Repro: Stadtarchiv

Die Krefelder Rheinstraße im Jahr 1916. Bild: Stadt Krefeld, Stadtarchiv
Die Krefelder Rheinstraße im Jahr 1916.
Bild: Stadt Krefeld, Stadtarchiv

 

Informationen zur Reihe: Das Stadtarchiv blickt anlässlich des Stadtjubiläums in die Krefelder Geschichte

Prag. Freitag, 1. Oktober 1373. Mit der Unterzeichnung einer Urkunde durch Kaiser Karl IV. wird aus dem Dorf die Stadt Krefeld. 650 Jahre ist das nun her. Anlässlich des Jubiläums blickt das Stadtarchiv in chronologischer Reihenfolge mit Geschichten und Anekdoten in die Vergangenheit. „Das machen wir mit wissenswerten Beiträgen, aber auch mit humorvollen Geschichten", sagt Archivleiter Dr. Olaf Richter. Der Blick in die Historie richtet sich zwei Mal pro Woche nicht alleine auf den kleinen Flecken, den mittelalterlichen Siedlungskern, sondern auf das Gebiet des heutigen Krefelds.