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Teil 54: 1950 - die „Theaterehe" zwischen Krefeld und Mönchengladbach wird geschlossen

Veröffentlicht am: 06.12.2023

75 Jahre, ein Dreivierteljahrhundert verheiratet zu sein, erleben nicht viele Menschen. Da dies so selten und kostbar ist, spricht man von der Kronjuwelenhochzeit. Auf genau dieses Jubiläum steuert Deutschlands längste Theaterfusion zu. Im Jahr 2025 feiert der Zusammenschluss der Theater Krefeld und Mönchengladbach sein 75jähriges Bestehen.

Nicht Liebesheirat, sondern Vernunftehe

Angefangen hat alles am 12. April 1950, als der Rat der Stadt Mönchengladbach mit nur einer Stimme Mehrheit beschloss, zukünftig mit Krefeld zu kooperieren. Schon eine Woche später wurde der Fusionsvertrag geschlossen, der besagt, dass beide Städte ein Gemeinschafstheater mit drei Sparten (Musiktheater, Schauspiel, Ballett) betreiben. Auch die beiden städtischen Orchester wurden zusammengelegt. Seit 1973 firmieren sie unter dem Namen „Niederrheinische Sinfoniker". Sie sind nicht nur Teil des Musiktheaters, sondern spielen darüber hinaus in beiden Städten ein umfangreiches Konzertprogramm. Hintergrund für die Fusion 1950 war die schwierige wirtschaftliche Situation nach dem Krieg. So hatte es auch der Gründungsintendant Erich Schumacher noch Jahre später formuliert: „Der eigentliche Antrieb zu den Verhandlungen war natürlich der feste Wille der Städte, an den Theaterkosten zu sparen." Es war also, um bei dem Vergleich mit der Ehe zu bleiben, keine Liebesheirat, sondern eine Vernunftehe. Wenn keine großen Emotionen im Spiel sind, sind das manchmal die besten Voraussetzungen für eine Verbindung. Doch gerade im Bereich des Theaters geht ohne Emotionen nichts. Und so wurde auch in den vergangenen Jahrzehnten immer wieder heftig gestritten und um Lösungen gerungen, der Vertrag sogar insgesamt dreimal gekündigt. Als man 1975 die „Silberhochzeit" feierte, begründete der damalige Krefelder Kulturdezernent Kurt Honnen in der „Deutschen Bühne" den Erfolg damit, „dass es einen fast perfekten Ehevertrag gibt, der sämtliche Rechte und Pflichten der Partner bis ins kleinste Detail regelt". Das wurde auch für andere Kommunen zum Vorbild.

Ansicht Stadttheater 1954 vor dem Umbau. Foto: Stadtarchiv
Ansicht Stadttheater 1954 vor dem Umbau. Foto: Stadtarchiv

Bereits 1921 gab es einen Vertrag

Die Idee einer Fusion war nicht neu. Bereits 1921 wurde ein erster entsprechender Vertrag zwischen den Städten geschlossen. Er zerbrach schon zwei Jahre später, da sich Mönchengladbach benachteiligt fühlte. Krefeld blickte schon auf eine längere, bis ins 18. Jahrhundert reichende Tradition zurück und hatte seit 1886 eine repräsentative Spielstätte an der Rheinstraße. Dort führte man früh sehr große und bedeutende Werke auf. 1908 gab es den ersten geschlossenen „Ring"- Zyklus von Richard Wagner und 1911, noch im Jahr seiner Uraufführung, wurde bereits „Der Rosenkavalier" von Richard Strauss gespielt.

Die Spielstätten nach dem Krieg

Dieser Theaterbau fiel im Juni 1943 den Bomben zum Opfer. Nach dem Krieg spielte man auf der Burg Linn, im Dreikönigshaus und in der Aula des Lyzeums (heute Ricarda-Huch-Gymnasium). Zwei Jahre nach der Fusion wurde auf dem heutigen Theaterplatz die sogenannte Kulturscheune mit Wagners „Lohengrin" eröffnet. 1963 wurde dann der bis heute bestehende Neubau von Gerhard Graubner eingeweiht. Bereits 1959 war in Mönchengladbach das von Paul Stohrer entworfene Schauspielhaus eröffnet worden. Die heutige Spielstätte ist die in den späten 1970er Jahren zu einem repräsentativen Opernhaus umgebaute Rheydter Stadthalle. Das Schauspielhaus an der Hindenburgstraße wurde trotz massiver Proteste abgerissen.

Seit 1950 hat es nur sieben Intendanten gegeben

Die Fusion hat es möglich gemacht, dass beide Städte seit Jahrzehnten ein vielfältiges, drei Sparten und Konzerte umfassendes Theaterprogramm erleben können. Ein Zeichen der Kontinuität ist auch die Tatsache, dass es seit 1950 nur sieben Intendanten gegeben hat: Erich Schumacher (bis 1958), Herbert Decker (bis 1966), Joachim Fontheim (bis 1985), Eike Gramss (bis 1991), Wolfgang Gropper (bis 1996), Jens Pesel (bis 2010) und seitdem Michael Grosse. Mit großer Freude feierte man im Jahr 2000 die „Goldhochzeit". Zu der Gelegenheit gab es einen „Theaterball". Aus dieser nur einmalig geplanten Veranstaltung ist ein bis heute regelmäßig stattfindendes, beliebtes Ereignis geworden. Damals erschien auch eine ausführliche Dokumentation in Buchform mit dem Titel „Habe nun, ach..." -50 Jahre Vereinigte Städtische Bühnen Krefeld und Mönchengladbach. Darin kamen mehrere ehemalige Intendanten zu Wort und zahlreiche Abbildungen belegen die künstlerische Vielfalt jener Jahre.

Ansicht Stadttheater 1965 nach dem Umbau. Foto: Stadtarchiv
Ansicht Stadttheater 1965 nach dem Umbau. Foto: Stadtarchiv

Seit 2010 gibt es das Konzept „Theater mit Zukunft"

Zum 1. Januar 2011 wurden die Vereinigten Städtischen Bühnen in eine gemeinnützige GmbH umgewandelt. Im Zuge der Umwandlung wurde mit den beiden Gesellschaftern, der Stadt Krefeld und der Stadt Mönchengladbach, das Konzept „Theater mit Zukunft" vereinbart. Dieses sichert die Zuschüsse der Städte und Sparmaßnahmen auf Seiten des Theaters für jeweils fünf Jahre. Im Jahr des Krefelder Stadtjubiläums wurde die vierte Auflage dieses Konzept erfolgreich beschlossen. Das Gemeinschaftstheater, in dem rund 500 Mitarbeiter aus 37 Nationen tätig sind, hat jetzt Planungssicherheit bis zum Jahr 2030. Auch wenn dies für beide Städte einen finanziellen Kraftakt bedeutet, könnte ein Bekenntnis zum Theater nicht deutlicher ausfallen. Der Mönchengladbacher Oberbürgermeister Felix Heinrichs dazu: „Das gemeinsame Ziel ist: Unser Theater soll erfolgreich 75, 80 Jahre und noch älter werden. Sein Krefelder Amtskollege Frank Meyer hat die nächsten Jubiläen fest im Blick: „Erst Kronjuwelenhochzeit, dann Eichenhochzeit."

Mit der Unterzeichnung einer Urkunde durch Kaiser Karl IV. am 1. Oktober 1373 in Prag wird aus dem Dorf die Stadt Krefeld. 650 Jahre ist das nun her. Anlässlich des Jubiläums blickt das Stadtarchiv in chronologischer Folge mit Geschichten und Anekdoten in die Vergangenheit. Der Blick in die Historie richtet sich nicht alleine auf den kleinen Flecken, den mittelalterlichen Siedlungskern, sondern auf das Gebiet des heutigen Krefelds. Alle Beiträge werden unter www.krefeld.de/1373 und www.krefeld650.de veröffentlicht.

 

Alle Beiträge aus der Artikelreihe des Krefelder Stadtarchivs zum 650-jährigen Stadtjubiläum:
Teil 27: Krefeld zur Zeit der napoleonischen Herrschaft
Bürgermeister Gottschalk Floh und zwei Napoleon-Büsten.
Haus Neuenhofen in Bockum.
Teil 26: Durchgehendst sieht man großen Wohlstand herrschen.
Krefelds Entwicklung im Rahmen der fünften Stadterweiterung und ein begeisterter Reisebericht in der 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts
Haus Floh an der Friedrichstraße um 1930. Foto: Stadtarchiv Krefeld
Teil 25: 1752 - Die neue Dionysiuskirche wird erbaut
Krefelds älteste Kirche, auf die heute namentlich die Alte Kirche verweist, war bereits dem heiligen Dionysius geweiht. In der Reformationszeit wurde sie von den Protestanten übernommen, als katholischen Ort gab es nur die Kapelle des Klosters der Tertiarinnen.
Postkarte mit der Dio-Kirche an der Rheinstraße. Foto. Stadtarchiv
Teil 24: Friedrich der Große zu Besuch im „Kleinod Crefeld"
Die Brüder von der Leyen erhielten vom König Monopolrechte und wurden auch mit dem Titel „königlicher Kommerzienrat" geehrt.
Der preußische König, Friedrich II., zu Besuch bei der Familie Von der Leyen. Repor: Stadtarchiv
Teil 23: Die Schlacht an der Hückelsmay
Wer am historischen Landgasthof Hückelsmay vorbei stadtauswärts fährt, wird auf der rechten Seite ein eingezäuntes Denkmal sehen. Die von einem Adler bekrönte, steinerne Säule erinnert an eine der beiden großen Schlachten vor den Toren Krefelds
Nahaufnahme am Hückelsmay-Denkmal. Bild: Stadt Krefeld, Presse und Kommunikation, Stadtarchiv Krefeld

Die Krefelder Rheinstraße im Jahr 1916. Bild: Stadt Krefeld, Stadtarchiv
Die Krefelder Rheinstraße im Jahr 1916.
Bild: Stadt Krefeld, Stadtarchiv

 

Informationen zur Reihe: Das Stadtarchiv blickt anlässlich des Stadtjubiläums in die Krefelder Geschichte

Prag. Freitag, 1. Oktober 1373. Mit der Unterzeichnung einer Urkunde durch Kaiser Karl IV. wird aus dem Dorf die Stadt Krefeld. 650 Jahre ist das nun her. Anlässlich des Jubiläums blickt das Stadtarchiv in chronologischer Reihenfolge mit Geschichten und Anekdoten in die Vergangenheit. „Das machen wir mit wissenswerten Beiträgen, aber auch mit humorvollen Geschichten", sagt Archivleiter Dr. Olaf Richter. Der Blick in die Historie richtet sich zwei Mal pro Woche nicht alleine auf den kleinen Flecken, den mittelalterlichen Siedlungskern, sondern auf das Gebiet des heutigen Krefelds.