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Teil 56: Architektur der 1970er Jahre - der „Mississippi-Dampfer" und das Seidenweberhaus

Veröffentlicht am: 20.12.2023

Die 1970er Jahre haben in vielen deutschen Städten ihre Spuren hinterlassen, nicht immer auf architektonisch gelungene Weise. mehr oder minder erfolgreiche Weise. Auch Krefeld hat, nach den starken Zerstörungen im Zweiten Weltkrieg, im Zuge des Wiederaufbaus sein Gesicht sehr stark verändert. Zwei markante Gebäude, die seit bald 50 Jahren bestehen, sollen an dieser Stelle vorgestellt werden.

Am Bleichpfad steht Krefelds höchstes Wohnhaus

Auf dem Areal des ehemaligen Straßenbahndepots Philadelphiastraße/ Ecke Bleichpfad steht das mit einer Höhe von 76 Metern höchste Wohnhaus Krefelds. Das Bleichpfadhochhaus, von den Krefeldern mit Spitznamen „Mississippi-Dampfer" versehen, polarisiert bis heute. Die damalige Chance, das gesamte Viertel auf Basis einer umfassenden städtebaulichen Studie und einem Wettbewerb neu zu gestalten, fiel einer einseitigen Investorenpolitik zum Opfer.

Eine spezielle Baugeschichte

Errichtet wird es von einer Investorengruppe aus Kaufleuten, Ingenieuren und Architekten, sowie der Baugesellschaft Lichtenberg und Röder. Die Planungen entstehen im Kontext mit der Stadt. Es kommt zu heftigen Auseinandersetzungen mit der Politik und mit Umplanungen. Am Ende wird in der entscheidenden Ausschusssitzung ein ganz anderer als ursprünglich geplanter Baukörper vorgestellt und abgesegnet. Auf einem viel kleineren Areal entsteht dann ein 23stöckiges Gebäude mit 250 Wohnungen. Es ist ein Kosmos für sich, in dem Menschen aus über zwanzig verschiedenen Herkunftsländern wohnen. In den letzten Jahren wurde es sichtbar saniert, bekam neue Fenster und anstelle der zeittypischen Gestaltung mit orangenen, gelben und grünen Farbstreifen einen einheitlichen hellen Anstrich. Durch seine zentrale Innenstadtlage, nur wenige Meter vom Ostwall entfernt, ist der Anblick jedem Krefelder vertraut.

Das Seidenweberhaus. Foto: Stadtarchiv Krefeld
Das Seidenweberhaus. Foto: Stadtarchiv Krefeld

Das Seidenweberhaus als neue Stadthalle

Das gilt auch für das Seidenweberhaus, das sich in fußläufiger Nähe zum Bleichpfad, am Theaterplatz, befindet. Nachdem die alte Stadthalle im Zweiten Weltkrieg zerstört wurde, gab es schon wenige Jahre später die Überlegung eines Neubaus. Um den Standort wurde länger gestritten, zur Debatte stand auch der Sprödentalplatz. In der Innenstadt, am heutigen Theaterplatz, entstanden zunächst die Neubauten von Theater und Stadtbücherei. 1970 wurden zwei Ideenwettbewerbe ausgeschrieben, bei dem beide Orte im Rennen waren. Realisiert wurde jedoch nicht der zunächst sogar prämierte Entwurf für den Sprödentalplatz, den die Architektengemeinschaft Stappmann/Thörissen/Winter erstellt hat, sondern ein Sechseck-Entwurf der städtischen Bauverwaltung. Die Umsetzung am Theaterplatz übernahm dann das Architekturbüro Sippel/Trubert/Klein. Die Grundsteinlegung erfolgte im Juni1972, ein Jahr vor den Feierlichkeiten zum 600jährigen Stadtjubiläum. Der sechseckige Grundriss ist auch eine Anspielung darauf. Die Eröffnung erfolgte im Januar 1976. Der Name Seidenweberhaus wurde durch eine Umfrage ermittelt.

Die gute Stube Krefelds

Das Betongebäude mit seinem ungewöhnlichen Grundriss ist ein typisches Beispiel für den Stil des Brutalismus in den 1970er Jahren und polarisiert bis heute die Krefelder. Als zentral gelegener Veranstaltungsort ist es auch so etwas wie die „gute Stube" der Stadt und war Schauplatz vieler Ereignisse der Stadtgeschichte in den letzten 50 Jahren. Hier wurden sportliche Siege wie der Fußball DFB-Pokalgewinn von 1985 oder der deutsche Eishockey-Meistertitel 2003 der Krefeld Pinguine gefeiert. Im Rahmen der „Philadelphiade" kamen hier 1983 der damalige US-Vizepräsident George Bush, Bundeskanzler Helmut Kohl und Bundespräsident Karl Carstens zusammen. Auch der Festakt zum Stadtjubiläum 2023 hat hier stattgefunden. Doch die Tage des inzwischen sehr sanierungsbedürftigen Gebäudes sind gezählt, sein Abriss beschlossen. Als alternative Veranstaltungshalle soll das historische Kesselhaus im Mies-van-der-Rohe-Business-Park umgebaut werden.

Mit der Unterzeichnung einer Urkunde durch Kaiser Karl IV. am 1. Oktober 1373 in Prag wird aus dem Dorf die Stadt Krefeld. 650 Jahre ist das nun her. Anlässlich des Jubiläums blickt das Stadtarchiv in chronologischer Folge mit Geschichten und Anekdoten in die Vergangenheit. Der Blick in die Historie richtet sich nicht alleine auf den kleinen Flecken, den mittelalterlichen Siedlungskern, sondern auf das Gebiet des heutigen Krefelds. Alle Beiträge werden unter www.krefeld.de/1373 und www.krefeld650.de veröffentlicht.

 

Alle Beiträge aus der Artikelreihe des Krefelder Stadtarchivs zum 650-jährigen Stadtjubiläum:
Teil 32: Der Vagedes-Plan
Einbindung des bisherigen Stadtkerns in das rechteckige Geviert der Wälle.
Vagedes-Plan. Repro. Stadtarchiv Krefeld
Teil 31: Das alte Stadttheater an der Rheinstraße
Viele Theaterbauten gehen auf die Initiative von Adeligen zurück. In Krefeld, das ja nie ein Fürstensitz war, ist auch die Begeisterung für die Bühne auf bürgerschaftliches Engagement zurückzuführen.
Altes Stadttheater an der Rheinstraße. Repro: Stadtarchiv
Teil 30: Entstehung des Stadtgartens
Mit seinem schönen Baumbestand und dem zentral gelegenen Musikpavillon lädt er zu Spaziergängen ein.
Krefelder Stadtgarten um 1902. Repro: Stadtarchiv
Teil 28: Krefeld und die Hermès
10. Januar 1801: Dietrich Hermes, Gründer der Firma Hermès, wird in Krefeld geboren
Dietrich Hermes, Gründer der Firma Hermès, wird in Krefeld geboren. Foto: Stadtarchiv Krefeld

Die Krefelder Rheinstraße im Jahr 1916. Bild: Stadt Krefeld, Stadtarchiv
Die Krefelder Rheinstraße im Jahr 1916.
Bild: Stadt Krefeld, Stadtarchiv

 

Informationen zur Reihe: Das Stadtarchiv blickt anlässlich des Stadtjubiläums in die Krefelder Geschichte

Prag. Freitag, 1. Oktober 1373. Mit der Unterzeichnung einer Urkunde durch Kaiser Karl IV. wird aus dem Dorf die Stadt Krefeld. 650 Jahre ist das nun her. Anlässlich des Jubiläums blickt das Stadtarchiv in chronologischer Reihenfolge mit Geschichten und Anekdoten in die Vergangenheit. „Das machen wir mit wissenswerten Beiträgen, aber auch mit humorvollen Geschichten", sagt Archivleiter Dr. Olaf Richter. Der Blick in die Historie richtet sich zwei Mal pro Woche nicht alleine auf den kleinen Flecken, den mittelalterlichen Siedlungskern, sondern auf das Gebiet des heutigen Krefelds.