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Teil 57: 1980er Jahre - Die Philadelphiade und der Krefelder Appell

Veröffentlicht am: 27.12.2023

„Vor 300 Jahren brachen 13 Krefelder Familien in die neue Welt auf. Dem Beitrag dieser Pioniere zum Werden der amerikanischen Nation gedenkt die Stadt Krefeld im Jahre 1983 mit zahlreichen Aktivitäten." So steht es in der Einladung zum Festakt, der am 25. Juni 1983 im Seidenweberhaus stattgefunden hat. Mit dieser Veranstaltung erreichten die Feierlichkeiten ihren Höhepunkt. Der damalige Oberbürgermeister Dieter Pützhofen konnte hochrangige Gäste begrüßen, die man sonst in Krefeld nicht zu sehen bekam. Neben Bundespräsident Karl Carstens und Bundeskanzler Helmut Kohl war auch der damalige US-Vizepräsident und spätere 41. US-Präsident George Bush mit seiner Frau anwesend.

Von der Krefeldiade zur Philadelphiade

1973, zur 600jährigen Stadtjubiläum hatte man unter dem Motto „Krefeldiade" ein großes Fest für alle veranstaltet. Zehn Jahre später wurde diese zum Vorbild für eine „Philadelphiade". Auch sie sollte ein „fröhlich-beschwingtes Bürgerfest" werden, welches ein Wochenende lang, vom 24. bis 27. Juni, andauerte. Zum Auftakt gab es eine deutsch-amerikanische Musikschau, bei der Bands der US-Army ebenso spielten wie das Luftwaffenmusikkorps Münster und das Bergmannsorchester von Rheinbraun. Der Sonntag war mit einem „Jogginglauf für Jedermann", der auf der Philadelphiastraße startete und einem großen Galopprenntag im Stadtwald dem Sport gewidmet. Dazwischen gab es ein Hofkonzert in der Musikschule, bei dem auch ein Mädchenchor aus San Francisco auftrat. Den Abschluss des Jubiläumswochenendes bildete am Montag ein deutsch-amerikanisches Kinderfest auf dem Theaterplatz.

Der Festakt im Seidenweberhaus

Höhepunkt war aber ohne Zweifel der Festakt am Samstag im Seidenweberhaus zu dem die bereits erwähnte Politikprominenz anreiste. In seiner Ansprache, deren Wortlaut zusammen mit weiteren Dokumenten zu den Feierlichkeiten im Stadtarchiv aufbewahrt wird, skizzierte George Bush die Erfolgsgeschichte der deutschen Einwanderer. Er schilderte die mühsamen Anfänge und lobte ihre Ausdauer und ihren Fleiß. Mit Blick auf die damalige Weltpolitik betonte er die auf demokratischen Prinzipien beruhende deutsch-amerikanische Freundschaft. „Letztlich ist es die Freiheit, die uns verbindet" sagte Bush. Als Bedrohung dieser Freiheit prangerte er die damalige Sowjetunion und ihr System an. Insgesamt spiegelte die Ansprache Bushs das damals sehr aufgeheizte Klima des Kalten Krieges wider.

Von links: OB Dieter Pützhofen empfängt mit seiner Frau Angelika besondere Gäste: Bundespräsident Karl Carstens; Veronika Carstens, US-Vizepräsident George Bush, Barbara Bush, Hannelore Kohl und Bundeskanzler Helmut Kohl. Foto: Stadtarchiv Krefeld
Von links: OB Dieter Pützhofen empfängt mit seiner Frau Angelika besondere Gäste: Bundespräsident Karl Carstens; Veronika Carstens, US-Vizepräsident George Bush, Barbara Bush, Hannelore Kohl und Bundeskanzler Helmut Kohl. Foto: Stadtarchiv Krefeld

Die Krefelder Krawalle

Wie polarisierend die Worte des US-Vizepräsident damals wirkten, zeigte sich in jenen Tagen im Juni 1983 deutlich. Krefeld kam nämlich nicht wegen der hochrangigen Politiker in die Schlagzeilen, sondern vor allem wegen rund 700 anderen, ungebetenen Gästen. Dabei handelte es sich um eigens angereiste Krawallmacher, die sich während des Festakts mit der Polizei im Süden der Innenstadt heftige Straßenschlachten lieferten. Ein Marsch zum Seidenweberhaus konnte zwar verhindert werden, aber es kam trotzdem zu einem kritischen Vorfall. Als der Autokonvoi mit Bush, Carstens und Kohl auf dem Weg zum Festessen im Krefelder Hof war, gelang es einer kleinen Gruppe von militanten Demonstranten die Autos zu bewerfen. Auch das Auto des Vize-Präsidenten wurde leicht beschädigt. Die überregionale Presse sprach von einem „Anschlag auf Bush", Bundeskanzler Kohl war über die „Krefelder Krawalle" empört. Insgesamt wurden an dem Tag 183 (Nicht-Krefelder!) festgenommen und über 40 Polizisten verletzt.

Friedensfest auf dem Sprödentalplatz und der Krefelder Appell

Parallel zu diesen Ereignissen gab es eine ruhige Demonstration von 30.000 Friedensanhängern, die sich zu einem „deutsch-amerikanischen Friedensfest" auf dem Sprödentalplatz getroffen hatten. Anwesend waren die Grünenpolitikerin Petra Kelly, die Theologin Uta Ranke-Heinemann und der Künstler Joseph Beuys. Diese Veranstaltung war auch eine Folge des sogenannten „Krefelder Appells" von 1980. Damals war, von Krefeld ausgehend, eine Friedensbewegung entstanden, die sich dem Wettrüsten entgegensetzte. Am 15. und 16. November fand im Seidenweberhaus unter dem Namen „Krefelder Forum" eine Veranstaltung mit 800 Teilnehmern statt, die von der Deutschen Friedensunion organisiert worden war. Da Krefeld mit dem Seidenweberhaus eine genügend große Halle bilden konnte, war die Stadt eher zufällig als Ort ausgewählt worden.
In dem Appell wurde dazu aufgerufen, durch öffentlichen Druck eine Sicherheitspolitik zu erzwingen, die verhindern sollte, dass Mitteleuropa zu einer nuklearen Plattform der USA aufgerüstet wurde. Abrüstung statt Abschreckung lautetet stattdessen die Devise. In der Folge wurden in der gesamten Bundesrepublik Listen zur Unterzeichnung dieses Appells verbreitet. Viele Prominente, wie Heinrich Böll, Hannelore Elsner, Bernhard Grzimek und Joseph Beuys unterzeichneten das Papier, das an die Bundesregierung gerichtet war.
Der Verbleib der Listen, auf denen zwischen drei und fünf Millionen Namen gestanden haben sollen, ist heute unbekannt.

Ein historisches Wochenende

Doch zurück zum Festakt am 25. Juni. Dort gab es noch eine mysteriöse Panne in Form eines zweimaligen Stromausfalls im Seidenweberhaus. Die Ursache konnte nie geklärt werden. Da der Hauptschalter in einem eigentlich nicht zugänglichen Raum runtergeklappt war, vermutete man auch Sabotage. Die Westdeutsche Zeitung titelte in ihrer Ausgabe vom 27. Juni sehr passend: „Das war ein historisches Wochenende".

Mit der Unterzeichnung einer Urkunde durch Kaiser Karl IV. am 1. Oktober 1373 in Prag wird aus dem Dorf die Stadt Krefeld. 650 Jahre ist das nun her. Anlässlich des Jubiläums blickt das Stadtarchiv in chronologischer Folge mit Geschichten und Anekdoten in die Vergangenheit. Der Blick in die Historie richtet sich nicht alleine auf den kleinen Flecken, den mittelalterlichen Siedlungskern, sondern auf das Gebiet des heutigen Krefelds. Alle Beiträge werden unter www.krefeld.de/1373 und www.krefeld650.de veröffentlicht.

Mit dieser Folge endet die Reihe des Stadtarchivs Krefeld.

 

Alle Beiträge aus der Artikelreihe des Krefelder Stadtarchivs zum 650-jährigen Stadtjubiläum:
Teil 33: Die Malerin Caroline Bardua besucht mit ihrer Schwester zum ersten Mal Krefeld
Caroline und Wilhelmine Bardua stammten aus dem Harz und wuchsen in der kleinen Residenzstadt Ballenstedt auf.
Kinder der Familie von der Leyen von Caroline Bardua. Repro: Stadtarchiv Krefeld
Teil 32: Der Vagedes-Plan
Einbindung des bisherigen Stadtkerns in das rechteckige Geviert der Wälle.
Vagedes-Plan. Repro. Stadtarchiv Krefeld
Teil 31: Das alte Stadttheater an der Rheinstraße
Viele Theaterbauten gehen auf die Initiative von Adeligen zurück. In Krefeld, das ja nie ein Fürstensitz war, ist auch die Begeisterung für die Bühne auf bürgerschaftliches Engagement zurückzuführen.
Altes Stadttheater an der Rheinstraße. Repro: Stadtarchiv
Teil 30: Entstehung des Stadtgartens
Mit seinem schönen Baumbestand und dem zentral gelegenen Musikpavillon lädt er zu Spaziergängen ein.
Krefelder Stadtgarten um 1902. Repro: Stadtarchiv

Die Krefelder Rheinstraße im Jahr 1916. Bild: Stadt Krefeld, Stadtarchiv
Die Krefelder Rheinstraße im Jahr 1916.
Bild: Stadt Krefeld, Stadtarchiv

 

Informationen zur Reihe: Das Stadtarchiv blickt anlässlich des Stadtjubiläums in die Krefelder Geschichte

Prag. Freitag, 1. Oktober 1373. Mit der Unterzeichnung einer Urkunde durch Kaiser Karl IV. wird aus dem Dorf die Stadt Krefeld. 650 Jahre ist das nun her. Anlässlich des Jubiläums blickt das Stadtarchiv in chronologischer Reihenfolge mit Geschichten und Anekdoten in die Vergangenheit. „Das machen wir mit wissenswerten Beiträgen, aber auch mit humorvollen Geschichten", sagt Archivleiter Dr. Olaf Richter. Der Blick in die Historie richtet sich zwei Mal pro Woche nicht alleine auf den kleinen Flecken, den mittelalterlichen Siedlungskern, sondern auf das Gebiet des heutigen Krefelds.