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„Wichtiger Baustein der Armutsprävention in unserer Stadt“

Veröffentlicht am: 03.04.2025

Anke Müller ist neue Leiterin des Fachbereichs Soziales in Krefeld. Foto: Stadt Krefeld, Presse und Kommunikation, D. Jochmann
Anke Müller ist neue Leiterin des Fachbereichs Soziales in Krefeld.
Foto: Stadt Krefeld, Presse und Kommunikation, D. Jochmann

Die erste Startphase liegt hinter Anke Müller, neue Fachbereichsleiterin Soziales in Krefeld. Im Interview blickt sie zurück auf ihren Weg nach Krefeld und skizziert die kommenden Aufgaben.

Frau Müller, seit dem Jahresbeginn sind Sie Leiterin des Fachbereichs Soziales und Senioren. Wie fällt ihr Fazit der ersten Wochen aus?

Wenn man im Sozialbereich arbeitet, dann ist man - so kann man das wohl sagen - von Tag eins an mittendrin. So ergeht es mir auch hier in Krefeld und das ist ein schönes Gefühl. Die neuen Kolleginnen und Kollegen haben es mir sehr leicht gemacht. Ich hatte auch einen sehr guten Austausch und Übergang mit meinem Amtsvorgänger Wolfram Gottschalk. Das macht es einem natürlich einfach, hier anzukommen. Das thematische Arbeitsfeld ist mir ja aus meiner vorherigen Tätigkeit als stellvertretende Amtsleiterin im Amt für Soziales und Jugend in Düsseldorf vertraut.

Und Krefeld als Stadt mit den Menschen hier - wie nehmen Sie das wahr?

Bevor ich in Krefeld gestartet bin, habe ich die Stadt erst einmal wandernd erkundet - eines meiner Hobbies - und habe mich dabei über die äußeren Stadtteile nach innen bewegt. Da bekommt man ein Gefühl dafür, wie eine Stadt aufgebaut ist. Krefeld hat eine urbane Innenstadt, ist aber eben außen auch sehr ländlich. Dieser Kontrast gefällt mir. Ich habe schon vor dem Start und auch seit Januar viele Menschen kennenlernen dürfen und führe aktuell Gespräche um die Akteure in meinen Themen kennenzulernen. Da nimmt man vieles mit und schön ist, dass überall die Türen sehr offen sind. Sie sehen mich mit einem glücklichen Gesicht.

Wie kam es dann zum Start in Krefeld?

Ich wollte gerne nach meiner Zeit als stellvertretende Amtsleiterin in der Düsseldorfer Verwaltung sehr gerne einmal strategische Gesamtverantwortung für einen Bereich übernehmen. Da passte es gut, als ich von der Stellenausschreibung hier in Krefeld erfuhr. Man verlässt sein berufliches Netzwerk nicht so schnell und gern. Ich wusste aber seit dem Wechsel nach Düsseldorf, dass man sich in einem neuen Team mit neuen Menschen und in einer neuen Stadt auch gut zurechtfinden kann.

Was sind die Herausforderungen für Krefeld aus Ihrer fachlichen Perspektive?

Die große Überschrift ist Teilhabe: Da rede ich von natürlich von Teilhabe für ältere Menschen, aber auch von Menschen mit einer Behinderung oder Menschen, die aufgrund fehlender finanzieller Mittel vielleicht nicht so gut partizipieren können. Wie kriegen wir das hin, dass Menschen in dieser Stadt gut leben können und teilhaben können an dem, was die Stadt zu bieten hat? Wenn ich also von Teilhabe rede, dann müssen wir beispielsweise an die Seniorinnen und Senioren im Stadtteil Traar ebenso denken wie an eine Familie der Innenstadt. Diese Spannbreite hinzubekommen, das wird die Herausforderung sein.

Welches Aufgabengebiet umfasst der Fachbereich Soziales konkret und wo sollten aus Ihrer Sicht Schwerpunkte gesetzt werden?

Zum Fachbereich gehören ca. 150 Mitarbeitende. Wir sichern durch die Gewährung von Geld- und Sachleistungen existenzielle Bedarfe und gleichen Nachteile aus. Hierzu gehören beispielsweise die Grundsicherung, die Hilfe zur Pflege, die Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderung, die Leistungen aus dem Bildungs- und Teilhabepaket oder auch das Ausstellen von Schwerbehindertenausweisen. Ergänzend erbringen wir in diesen Themenfeldern aber auch in der Pflege- und Altenberatung ein weitreichendes Beratungsangebot, mit dem wir die Lebensqualitäten vieler Bürgerinnen und Bürger Krefelds anheben und Orientierung im Dschungel der Unterstützungsangebote verschaffen. Gemeinsam mit unseren Partnern der Arbeitsgemeinschaft der Wohlfahrtsverbände stellen wir zudem eine umfangreiche soziale Infrastruktur in Krefeld zur Verfügung. Hier können Menschen mit Ihren Anliegen ankommen, erfahren Beratung und Unterstützung in schwierigen Lebenslagen und werden - wenn erforderlich - in unsere Strukturen weitergeleitet. So entsteht ein breites soziales Netz, das wir auf Grund planerischer Grundlagen in weiten Teilen finanzieren.

Welche Ziele verfolgen Sie, um die Angebote ihres Fachbereich Soziales und Senioren in der Bürgerschaft bekannt zu machen?

Wir arbeiten ja schon sehr öffentlichkeitswirksam in dem Sinne, dass viele Bürgerinnen und Bürger täglich bei uns mit ihren Anliegen ankommen. In den kommenden Jahren werden die Bedarfe der Seniorinnen und Senioren eine gesteigerte Aufmerksamkeit in Deutschland erfahren. Das wird den Fokus auch stark auf unsere Arbeit richten. In Krefeld hier ist der Anteil der Bevölkerungsgruppe im Alter von über 60 Jahren schon jetzt bei knapp 30 Prozent. Dieser Anteil wird noch eine Zeitlang steigen. Auch die Zahl der Hochaltrigen und der Menschen mit pflegerischen Unterstützungsbedarfen wird steigen. Wir haben also sozusagen hier im Fachbereich eines der Zukunftsthemen schlechthin. Wir müssen uns fragen, wie wir es als Stadtgesellschaft schaffen, dass Seniorinnen und Senioren, gerade auch die mit Pflegebedarf, gut in unserer Gesellschaft alt werden und leben können.

Welche Herausforderungen für ihr Team und für die Stadt gehen damit einher?

Die Menschen wollen so lange wie möglich zu Hause wohnen. Hierfür braucht es neue Konzepte statt nur die sektorale Einteilung in ambulant und stationär. Krefeld ist hier mit seinen Trägern gut und zukunftsgerichtet aufgestellt. Einiges wird bereits ausprobiert und es gibt eine gute Innovationskultur. Wir können zudem den Menschen beratend helfen, ihre Häuser und Wohnungen so einzurichten, dass das möglich ist. Im Gespräch mit den Menschen und ihren Angehörigen geht es darum, die Situation auch in ihrer Komplexität zu erfassen und alle Hilfen zur Verfügung zu stellen, die das System bietet.

Wie ist in Ihrem Fachbereich der Bürgerkontakt?

Man muss bedenken, dass das für die Bürgerinnen und Bürger oft keine angenehme Situation ist, um Hilfe zu bitten. Wenn wir diese Arbeit gut machen, ist das ein wichtiger Baustein der Armutsprävention in unserer Stadt. Wir wollen gut beraten, auf Augenhöhe, zugewandt. Wenn wir Menschen gut helfen, verhindern wir, dass sie sozial in noch schwierigere Situationen geraten. Es geht dabei um ein vernünftiges Miteinander. Es gehört zum Fingerspitzengefühl der Kolleginnen und Kollegen, Situationen gut einzuschätzen.

Man sieht: In ihrem Fachbereich wird viel präventiv gearbeitet.

In vielen Situationen denken meine Kolleginnen und Kollegen: „Hier hätte ich gerne früher die Möglichkeit gehabt zu unterstützen." Dazu müssen wir unsere Strukturen danach ausrichten, dass Menschen bei uns eine Anknüpfung finden, bevor es eigentlich schon gar nicht mehr geht, sondern wo wir einfach präsent sind mit unserer Beratung. Dem Thema Bildung und Teilhabe wollen wir dabei aktuell noch einmal eine besondere Aufmerksamkeit widmen. Hier ist es das Ziel, mehr Menschen als bislang durch die Möglichkeiten des Bildungs- und Teilhabepaketes zu erreichen. Wir wollen auch für die Anbieter in diesem Bereich gute Abläufe schaffen, zum Beispiel Caterern beim für das Mittagessen oder auch Nachhilfeanbietern. Das funktioniert derzeit noch nicht reibungslos. Das kann nur funktionieren, in dem man so viel wie möglich standardisiert und digitalisiert. Keine leichte Aufgabe in einem rechtlich sehr streng reglementierten Bereich, aber wir gehen es mit dem tollen und motivierten Team an. Wir haben hier endlich eine volle Besetzung nahezu aller Stellen erreicht.

Wie hat Sie das Thema Soziales in ihrem bisherigen beruflichen Leben begleitet?

Geboren bin ich in Jülich, bin dort in der Nähe aufgewachsen. Nach der Schule bin ich in den gehobenen Verwaltungsdienst eingestiegen und haben mein duales Studium beim Rhein-Erft-Kreis absolviert. Danach bin ich zur Stadt Köln gewechselt und habe dort damals ein Angebot wahrgenommen, in Teilzeit arbeiten zu können. Dort hatte ich die erste Berührung mit dem Sozialbereich und es war ziemlich schnell klar, das will ich machen. Ich habe in der Zeit in unterschiedlichen inhaltlichen Feldern gearbeitet, zuerst in einem Modellprojekt Jobcenter und später im Jobcenter (damals ArGe) und irgendwann habe ich dort auch meine erste Führungsposition übernommen. Die Stadt Köln hat mir zudem mit der Teilzeit ermöglicht, dass ich nebenbei noch studieren konnte: Romanistik mit dem Schwerpunkt europäische Rechtslinguistik.

Welche Erfahrungen aus dem Bereich Rechtslinguistik kommen Ihnen heute zugute? Da hat man ja einen ganz besonderen Blick auf Verwaltungskommunikation mit Bürgerinnen und Bürgern.

Mit war im Studium wichtig, dass ich eine thematische Anknüpfung an meinen Beruf habe. In der europäischen Rechtslinguistik habe ich immer am Thema Verwaltungssprache gearbeitet. Ich habe zum Beispiel Verwaltungsdokumente aus Frankreich und Deutschland sprachlich verglichen. Es ging immer um die Frage, wie Antragsformulare oder Bescheide formuliert sein müssen, damit sie von Bürgerinnen und Bürgern verstanden werden können. Da tut sich die Sozialverwaltung in beiden Ländern schwer, aber man kann auch einiges voneinander lernen.

Wie hat sich ihre berufliche Laufbahn nach dem Studium weiterentwickelt?

Ich bin dann in den Bereich des Bürgerservice gewechselt und habe ein EU-Projekt zur Digitalisierung umgesetzt. Als Fachreferentin für ein großes Strukturförderprojekt habe ich dann eine Stelle im Büro des damaligen Oberbürgermeisters von Köln, Jürgen Roters, angetreten, wurde in diesem Büro später auch Fachreferentin für Bildung, Jugend und Sport. Im Anschluss war ich noch in der SPD-Fraktion als Referentin für die gleichen Themen verantwortlich. Mir war vorher glaube ich nicht richtig klar, was ich in diesen beiden Bereichen alles über politische Prozesse lernen würde, aber so war es. Das war eine unglaublich bereichernde Zeit mit tollen Führungskräften, die auch in diesem Bereich als Vorbilder Maßstäbe für mich gesetzt haben. Dafür bin ich heute noch sehr dankbar.

Sind diese Erfahrungen in politischen Prozessen für Sie auch hilfreich im Hinblick auf die Zusammenarbeit mit der Politik heute.

Das ist in der Tat für mich total hilfreich. Mir ist es wichtig, dass wir als Verwaltung bestimmte Themen so vorbereiten, dass die Politik eine gute Basis für ihre Entscheidungen hat. Der Innenblick hat mir sehr geholfen. Diese Zeit hat mir auch noch einmal gezeigt, wie viele engagierte Menschen in den Kommunen ehrenamtlich politisch arbeiten. Das kann man nicht hoch genug würdigen.

Vor ihrem Start in Krefeld waren Sie auch noch in Düsseldorf tätig. Von Kölsch zu Alt, von Alaaf zu Helau: Was waren Ihre Erfahrungen?

Zwischen Düsseldorf und Köln gibt es eine gesunde Rivalität, aber auch viele Schnittmengen. Beide Städte sind groß, stehen vor ähnlichen Herausforderungen, zu vielen Themen tauscht man sich aus, und es gibt auch Personalwechsel zwischen den Verwaltungen. Mein Schritt nach Düsseldorf war da nicht ungewöhnlich, aber natürlich gibt es da den einen oder anderen witzigen Spruch. Ich bekomme mittlerweile flüssig ein „Helau" über die Lippen und finde, mit einem guten Alt kann man auch nichts verkehrt machen. Der Start in Düsseldorf war für mich ein Weg zurück in die Verwaltung, ich habe dort im Sozialamt als stellvertretende Amtsleiterin unterschiedliche Abteilungen geleitet. Die fünf Jahre in Düsseldorf waren eine sehr gute Zeit, in der ich intensiv im strukturellen Bereich eines Sozialamtes und später des Amtes für Soziales und Jugend gearbeitet habe. Die dortigen Erfahrungen haben mich gut auf die Aufgabe vorbereitet, den Fachbereich Soziales und Senioren in Krefeld gemeinsam mit den engagierten Kolleginnen und Kollegen in die Zukunft zu führen.